Volltext: Der Völkerkrieg Band 3 (3 / 1915)

116 Die Ereignisse an der Westfront von Mitte Januar bis Mai 1915 
Am 2. März nachts 11 Uhr versuchten die Franzosen das erstemal, unsere Stellung 
zu erschüttern; es kam zu einer kleinen Knallerei, und die Gäste verschwanden schnell 
von der Bildfläche. Wir benützten noch diese Nacht und legten ein Drahtverhau an. 
Und nicht zu früh. Am 3. März nachmittags meldete ein Flieger, daß von Epinal her 
größere Truppenmassen unterwegs seien. Wir machten uns bereit, kletterten ins Wasser 
— nein, wollte sagen Schützengraben — und warteten der Dinge, die da kommen sollten. 
Bald belehrte uns ein stark einsetzendes Artilleriefeuer, daß es Ernst wurde. Gegen 
5 Uhr nachmittags griffen sie an, und zwar auf drei Stellen. Die ganze Geschichte 
brach aber gleich in der Entwicklung unter unserem Feuer zusammen. Unser nächster 
Gedanke war, „die kommen bald wieder". Und wir sollten recht behalten. Gegen 11 Uhr 
nachts ging die Knallerei wieder los; dazu war's stockfinster; man sah die Hand kaum 
vor den Augen. Auch jetzt mußte den Herren „Kulturträgern" die Sache zu brenzlich 
geworden sein, denn sie machten kehrt. Früh um 6 Uhr kam dann der dritte und heftigste 
Angriff. Es war noch finster, dämmerte aber schon, als unsere verstärkten Posten auf 
einmal Gestalten am Drahtverhau laufen sahen. Hinlegen und losknallen war das Werk 
eines Augenblicks. Sofort stürmten die im Unterstände Ruhenden hinaus und griffen 
mit ein. Komisch wirkte das anfangs durchdringende Hurraschreien der Angreifer. Aber 
bei einem solchen Feuer konnte das nicht verstanden werden. Wir schossen alles, was 
nicht ausriß, über den Haufen. Und so gelang ihnen auch dieser Angriff nicht. Wir 
hatten an jenem Morgen sehr unter Flankenfeuer zu leiden, da, wie gesagt, unsere 
Stellung eine vorstehende Spitze bildete. Die Verluste der Franzosen waren groß; aber 
auch von uns hat es einige abberufen zur großen Armee. Wir gruben ihnen ein schönes 
Grab unter einer weitästigen Buche. Es war eine einfache aber erhebende Feier . . . 
Bezeichnend für den Geist, der in vielen französischen Soldaten steckt, ist folgende Tat 
sache: Bei dem nächtlichen Angriff, dem dritten, nahm die Nachbarkompagnie an dreißig 
Franzosen gefangen. Sie waren zunächst äußerst erfreut darüber, daß sie gefangen waren 
und erzählten, sie hätten viel Wein bekommen (einige hatten noch Flaschen im Tournister), 
und es wäre ihnen gesagt worden: „Vor euch im Walde befindet sich eine stärkere deutsche 
Patrouille, die nehmt ihr gefangen." Also, besoffen werden sie gemacht, und belogen 
werden sie, nur damit sie angreifen sollen. Ich habe Mitleid mit den armen Kerls. Sie 
waren noch ganz neu, feldgrau, gekleidet und größtenteils Ersatzreservisten. Na, wir 
haben's ihnen einige Male gezeigt, wie leicht es ist, deutsche Patrouillen zu fangen . .. 
Aber wir müssen auch mächtig aus dem Damme sein. Wir sind jetzt immer zwei bis drei 
Tage in Stellung und haben dann einen Tag Ruhe. Und so geht das schon den ganzen 
März. Wenn man nicht wüßte, wofür wir kämpfen, könnte man wütend werden; aber 
so wird natürlich durchgehalten. Jeder einzelne weiß, worauf es ankommt und stellt 
seinen Mann. Und die Liebe zu unserem deutschen Vaterlande ist nicht das letzte, was 
fest wie Eisen schließt." 
„Hinter den neuen Stellungen," erzählt Oberst Karl Müller in der „Neuen Zürcher 
Zeitung", „wird an geschützten Orten im Walde fleißig gebaut an Unterständen, Block 
häusern, Lazaretten, Magazinen. Schon steht eine in acht Tagen erbaute Kaserne aus 
Holzstämmen da. Vorzügliche Deckungen für die Unterkunftsräume finden sich in diesem 
Gebirgsgelände hinter Felswänden und Felsköpfen, so daß die neuen Unterkunftsquar 
tiere der Truppen verhältnismäßig nahe bei den Gefechtsstellungen errichtet werden 
können. Das hat den Vorzug rascher Unterstützung im Falle eines Angriffes und der 
Schonung der Kräfte. Zu den Schützengräben führen Verbindungsgräben, durch die 
die Ablösungen gefahrlos hin- und hergehen. Es ist erstaunlich, wie stark und sorg 
fältig alle diese Arbeiten, teilweise unter dem Feuer des Feindes, im Zeitraume von 
kaum zwei Wochen ausgebaut worden sind.
	        
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