108 Die Ereignisse an der Westfront von Mitte Januar bis Mai 1915
man vom Hartmannsweilerkops über die Jägertanne (Sattelpunkt) gelangt, wurde ebenso
wie der Belchen sranzösischerseits stark besetzt (vgl. die Karte Bd. III, S. 179).
Die ersten deutschen Vorstöße gegen die Ringburg auf dem Hartmannsweilerkopf
scheiterten an der Stärke jener Stellung. Auch mußte die dem Flachland entstammende
Angriffstruppe erst die Schliche des im Gebirge erfahrenen Gegners kennen und be
kämpfen lernen, der mit schwarzen Ziegenfellen behängen oder mit Tannenreistg bedeckt,
die Gipfel der schneebedeckten Tannen bestieg und von dort aus, in Körben sitzend, aus
feinen Verstecken auf unsere Soldaten herabschoß. Bald hatten diese die Ringfestung
von außen völlig umschlossen; auch war die Jägertanne besetzt worden, um die vom
Molkenrain her erwarteten französischen Entsatzversuche abweisen zu können. Solche
erfolgten auch mit mindestens einem Alpenjäger-Bataillon, wurden aber von unsern sich
energisch zur Wehr setzenden schwachen Truppen abgewiesen. Zu gleicher Zeit aus dem
Ringwalle unternommene Ausfälle der Bergbesatzung scheiterten. Inzwischen hatte man
die weiter nötigen Angriffsmittel bereitgestellt, so daß am 19. Januar der Sturm unter
nommen werden konnte. Die ersten wohlgezielten Schüsse trafen den Offiziersunterstand
in der Ringseste. Zwei Offiziere wurden getötet und einer verwundet. Der letzte
Offizier streckte, aus dieses Ereignis hin, die Aussichtslosigkeit weitern Widerstandes
einsehend, mit dem Rest der Besatzung die Waffen. Ein Offizier und 150 Alpenjäger
wurden so zu Gefangenen gemacht. Zwei Tage später wurde auch der Hirzenstein ge
nommen; dort sind noch zwei Offiziere und 40 Mann gefangen genommen worden. An
den Hirzenstein waren unsere Truppen, ohne einen Schuß zu tun, herangekommen. Selbst
die gefangenen Offiziere sagten aus, daß die deutschen Vorbereitungen zur Wegnahme
der Höhenstellungen vortrefflich gewesen seien.
Unsere Truppen waren während dieser Kämpfe im Gebirge den allergrößten Stra
pazen und Entbehrungen ausgesetzt. Aus hoher Bergeshöhe kämpfend, wo tiefer Schnee
lag, die Tannen hoch zum Himmel ragen und wo dichtes Unterholz den Ausblick auf
wenige Meter beschränkt, tagelang ohne warme Nahrung und ohne schützendes Obdach,
hatte die Truppe Außerordentliches zu leisten. Erst nachdem der Feind vertrieben war,
konnte man sich einigermaßen häuslich einrichten, Wege und Hütten bauen und warmes
Essen bereiten. Jetzt finden wir auch Kavallerie hoch oben in den Bergen, aber nicht
etwa zu Pferde, sondern angetan mit Rucksack, Bergstock und Eissporen. Stunden-, ja
halbe Tage lang gehen die Kavalleristen die längsten und gefahrvollsten Patrouillen und
bringen oft die besten Meldungen.
Nachdem der französische Versuch, über Sennheim und Mülhausen durchzustoßen, an dem
Widerstande der Deutschen gescheitert war (vgl. III, S. 176 s.), unternahm der Feind am
27. Januar 1915 einen Durchbruchversuch an anderer Stelle. Er hatte sich also Kaisers Ge
burtstag für seine Angriffe ausgewählt. Ein höherer Stab war gerade in der Kirche, wo der
Festgottesdienst abgehalten wurde, als um 11 Uhr vormittags von dem Nachbarverbande
die Meldung einlief, daß ein feindlicher Angriff in Richtung Ammerzweiler erfolgt sei
und um artilleristische Unterstützung gebeten wurde. Kaum war diese zugesagt, so wurde
auch innerhalb des eigenen Abschnittes des betreffenden Truppenverbandes ein fran
zösischer Jnfanterieangriff gegen einen vorgeschobenen Posten am Rhein-Rhonekanal ge
meldet. Die in schwierigem, weil sehr unübersichtlichem Gelände stehende deutsche Feld
wache wurde von einer weit überlegenen feindlichen Truppenmacht überrannt. Gleich
zeitig erfolgte ein dritter französischer Angriff auf Aspach. Dieser Angriff, sowie jener
auf Ammerzweiler wurden bis aus Sturmentfernung durchgeführt, brachen dann aber
unter schweren Verlusten für den Feind zusammen. Dagegen begann der bis an den
Kanal vorgedrungene Feind sich dort einzurichten, indem er die deutsche Feldwachstellung
umbaute, mitgebrachte Pfähle einschlug, Drahtrollen entfaltete, auch Maschinengewehre