Volltext: Der Völkerkrieg Band 3 (3 / 1915)

96 Die Ereignisse an der Westfront von Mitte Januar bis Mai 1915 
Der Landwehrmann: „Ja, Herr Oberleitnant, das is ja schon wahr, aber schauen's, 
Herr Oberleitnant, in diesem Kriege g'schieht so gar nix mehr, das is ja gar kein Krieg 
nicht mehr, wenn man nicht selber was unternehmen tut." 
Der Rittmeister konnte das Lachen kaum mehr verbeißen und schickte den unter 
nehmungslustigen Bayer seiner Truppe zu. 
Aus Französisch-Lothringen 
Anschauliche Bilder vom Leben unserer Feldgrauen in Französisch-Lothringen zwischen 
Maas und Mosel enthält ein in der „Kölnischen Volkszeitung" veröffentlichter Brief 
eines rheinischen Landwehrosfiziers. Es heißt darin: Wir liegen im Walde als Ersatz 
bataillon in Reserve, unter mächtigen Buchen, deren Rinde die Geschosse zersplittern. 
Wir schaffen Munition nach vorne, zu den Sturmtruppen, die im ersten Anlauf zwei 
Gräben genommen haben. Um unsere Ohren braust das Pfeifen und Dröhnen der 
Artillerie-, das Surren und Schwirren der Jnsanteriegeschoffe, die allermodernste Musik, 
jenes Höllenkonzert, dessen Klang jedem im Ohre bleiben wird, der es einmal gehört 
hat. Noch streut die schwere Artillerie des Gegners den Wald ab. Bis in die Baum 
kuppen hinauf sieht man die Rauchsäulen steigen . . . 
Am nächsten Morgen lösen wir die ermüdeten Sturmtruppen ab. Wieder in vorderster 
Linie, etwa 600 Meter vor dem Feind, der sich von neuem verschanzt. Gegen Abend 
abermals furchtbares Artilleriefeuer. Ein paar schwere Rasenstücke purzeln mir auf 
den Helm, ein anderes schlägt mir die Nasenspitze blutig, ein Gewehrgeschoß saust mir 
dicht an der Schläfe vorüber, sengt mir die Haare, setzt mein Trommelfell in schwingende 
Bewegung. Nach etwa zwei Stunden wird das Artillerie- von Jnfanteriefeuer abgelöst. 
Die beiden Linien schießen gegeneinander. Es zischt und prasselt gegen die Baumrinden, 
die Schutzschilde, die Sandsäcke. Endlich hört's aus . . . 
Drei Tage halten wir so den Graben besetzt. Dann kommt die Ablösung. In 
einer der Ortschaften hinter der Front sollen wir ein paar Tage Ruhe genießen. 
Lautlos, gebückt verlassen wir den Graben. Im Laufgraben liegen noch die Leichen 
gefallener Franzosen. Weiter den Berghang hinunter. Der Boden aufgewühlt von 
Granaten. Ein Erdbeben, sollte man meinen, habe hier gewütet. Mächtige Baum 
riesen von Granaten zersplittert, der Stumpf ragt noch aus, die Krone liegt am Boden. 
Auf den Höhenkämmen glänzt der Schnee. Weich eingebettet im Grunde die Ort 
schaften. Es ist nicht mehr die Dorfanlage, der man im deutschen Lothringen noch 
häufig begegnet: Eine breite Straße, an deren Rändern die Misthaufen vor den Häusern 
liegen. Der Anblick dieser Ortschaften erinnert vielmehr an den Typus des italienischen 
Gebirgsdorfes, enge Straßen, die Häuser dicht aneinander gerückt, säst stäche Dächer, 
die Front häufig nur von wenig Fenstern durchbrochen. Hier und da ein Dachstuhl, 
eine Wand, eine Mauer von einer Granate durchlöchert. Erschöpft, durchfroren kommen 
wir ins Quartier. Deutsche Bezeichnungen an den Straßenecken, irgendwo hat sich sogar 
ein Soldat eine Friseurstube eingerichtet, wo die struppigen Kriegsbärte reguliert werden. 
Die Leute sind an die deutsche Herrschaft gewöhnt, freundlich, entgegenkommend. Auch 
ein alter emeritierter Pfarrer aus Nancy haust hier. Er hatte sich zur Erholung in 
dies Tal begeben, ist durch den Kriegsausbruch überrascht und festgehalten worden. Er 
erzählt mir von 1870, wo er als Pfarrer bei Pont-L-Mousson die deutschen Generale 
bewirtete, als unsere Truppen die Mosel überschritten, um Metz zu umklammern . . . 
Stellungskampf! So viel Blut, denkt vielleicht hier und da jemand, um ein paar 
Gräben, um ein Stückchen Land? Nein! Kampf und Blut für die Existenz unseres 
Reiches, für Freiheit und Dasein unserer Angehörigen. Die Toten, die unter den Bäumen 
im Walde ruhen, sind nicht vergebens gestorben."
	        
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