Volltext: Der Völkerkrieg Band 3 (3 / 1915)

Die Kämpfe im Abschnitt Lille — Arras 
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Feindes weiter nach; an einzelnen Stellen ergaben sich ganze Kompagnien. Die deut 
schen Soldaten waren vollständig erschöpft. Sie erklärten uns, daß ihre Schützengräben 
voll Wasser, daß alle ihre Offiziere getötet seien und das ganze dezimierte Bataillon 
seit mehreren Tagen keine Nahrung erhalten habe. Diese Tatsache hat ihre Ursache 
zweifellos in der Verwirrung des Kampfes und der Heftigkeit des Feuers unserer Artillerie, 
wodurch die Verproviantierung der Schützengräben verhindert wurde. Trotzdem schlugen 
sich die Deutschen tapfer. Aber die Spannung, die sie aushalten mußten, muß schreck 
lich gewesen sein. Sie wurden in der Tat durch Ueberraschung überwältigt und mußten 
sich während dreier Tage gegen einen an Zahl überlegenen und, was viel wichtiger ist, 
über eine starke Artillerie verfügenden Feind halten. Am Tage des 12. März leisteten 
die Deutschen verzweifelten Widerstand. Sie besetzten an einigen Orten Häuser, die so 
gelegen waren, daß das Gelände ringsum von dort durch ihre Maschinengewehre gesäubert 
werden konnte. In einem einzigen dieser Häuser fanden wir nicht weniger als sechs 
solcher Maschinen. Wir mußten die Häuser eines nach dem andern belagern und nach 
verzweifelten Nahkämpfen erstürmen. Der Boden steigt in dieser Gegend von unsern 
Gräben gegen diejenigen des Feindes an, so daß die Leichen gut sichtbar waren und 
gezählt werden konnten. Beim Einbruch der Nacht lagen gegenüber einem unserer 
Bataillone ihrer fünfhundert. In diesen Zahlen sind die in großer Anzahl im Dorfe 
Neuve-Chapelle getöteten Deutschen nicht inbegriffen, woselbst viele Tote unter Schutt 
und Trümmern aller Art begraben liegen. Einen weiteren kleinen Erfolg trugen wir 
im Weiler Epinette davon, den wir in einem plötzlichen Angriff mittelst Granaten 
nahmen, wobei wir nur unbedeutende Verluste erlitten. Wir gewannen dort Boden auf 
einer Länge von einer halben Meile. 
In der gleichen Nacht entdeckte eines unserer Bataillone eine merkwürdige Maß 
nahme des Feindes; er hatte einen Strohmann in der Erde befestigt, der bei der ersten 
Berührung explodierte und einen unserer Soldaten verwundete. 
Im Laufe des 13. März warfen die Deutschen gegen unsere Stellungen zahlreiche 
Verstärkungen, die seit dem 10. März nach und nach angekommen waren. Aber wir 
hatten unsere Stellungen während der Nacht befestigt; alle Angriffe des Feindes brachen 
an unseren Verteidigungswerken zusammen. Während des Nachmittags wurde ein starker 
Gegenangriff im Walde von Biez versucht, aber unsere Kanonen verursachten derartige 
Lücken in den feindlichen Reihen, als sie Versuche machten, in den Wald einzudringen, 
daß der Angriff selbst scheiterte. Am Sonntag den 14. März hörte der Kampf um 
Neuve-Chapelle auf, denn der Feind richtete seine Tätigkeit auf ein neues Ziel. Am 
Nachmittag vollführte er eine furchtbare Beschießung gegen St. Elvi, zwischen sechs und 
sieben Uhr abends. Nachdem die Deutschen dann einen unserer Schützengräben in die Lust 
gesprengt hatten, nahmen sie das Dorf sowie einige unserer Schützengräben nördlich und 
südlich im Sturm. Ein am folgenden Tage um drei Uhr morgens unternommener 
Gegenangriff machte uns von neuem zu Herren des Dorfes und der verlorenen Schützen 
gräben. 
Die in unsere Hände gefallenen Gefangenen sagen aus, daß sie seit Beginn des 
Krieges nie eine Beschießung erlebten wie diejenige, die dem Sturm auf Neuve-Chapelle 
vorausging. Ein preußischer Offizier mit sehr herausfordernder Haltung sprach seine 
größte Verachtung über die englische Kampfesweise aus, indem er sagte: „Ihr schlagt 
euch nicht, ihr mordet; wenn ihr einen ehrlichen Kampf begonnen hättet, hätten wir 
euch geschlagen, aber mein Regiment hatte kein Glück. Von der ersten Minute an 
fielen eure Granaten unter uns; nichts konnte einem solchen Feuer widerstehen." 
Obschon die Unzufriedenheit des feindlichen Offiziers über das Feuer unserer Artillerie 
für unsere Artilleristen ein Kompliment war, ist es doch merkwürdig, festzustellen, daß
	        
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