Volltext: Der Völkerkrieg Band 3 (3 / 1915)

Die Kämpfe im Abschnitt Lille — Arras 
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dehnung gleich der unserer ganzen ersten Armee. Wir werden jetzt mit ungefähr 
48 Bataillonen einen Abschnitt dieser Front angreifen, der nur von etwa drei deutschen 
Bataillonen verteidigt wird. Am ersten Tag des Kampfes werden die Deutschen vor 
aussichtlich höchstens noch vier weitere Bataillone zur Verstärkung für den Gegenangriff 
heranziehen können. Schnelligkeit ist daher die Hauptsache, um dem Feind zuvorzu 
kommen und um Erfolg zu haben, ohne schwere Verluste zu erleiden. 
Niemals in diesem Kriege hat es einen günstigeren Augenblick für uns gegeben, 
ich bin des Erfolges ganz gewiß. Seine Größe jedoch hängt von der Schnelligkeit und 
Entschlossenheit unseres Vorgehens ab. 
Wenn wir auch in Frankreich fechten, so wollen wir uns doch immer vor Augen 
halten, daß wir für die Erhaltung des britischen Reiches kämpfen und für den Schutz 
unserer Heimat gegen die planmäßige Barbarei des deutschen Heeres. Wir müssen alle 
zu dem Erfolge beitragen und wie Männer für Altenglands Ehre kämpfen." 
Die Kampfbegeisterung war denn auch im englischen Heere groß. „Wir hatten zum 
ersten Male Gelegenheit, dem Feinde in gleicher Stärke zu begegnen," schreibt ein Eng 
länder in einem Briefe, den die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" veröffentlicht hat: 
„Die Inder standen wie aus Kohlen, sie tanzten und brüllten wie verrückt. Jeder 
einzelne war der Eintönigkeit des Schützengrabenlebens überdrüssig und sehnte sich nach 
etwas Anregendem. 
Um 7 Uhr begann die Beschießung, 350 Kanonen feuerten gleichzeitig aus kurzes 
Ziel. Es war das schlimmste Getöse, das ein Soldat jemals zu hören bekommen hat. 
Die Gräben und Barrikaden zitterten, und die Flammen der platzenden Granaten 
blitzten an allen Ecken und Enden auf. Es war schwer, unsere Männer zurückzuhalten 
und am Feuern zu verhindern. Unsere Offiziere bestanden darauf, daß sie am Boden 
der Laufgräben zusammengekauert blieben, bis der Befehl zum Angriff kam, andernfalls 
wären sie von unserem eigenen Schrapnellfeuer getroffen worden. Die Beschießung 
dauerte dreiviertel Stunden, dann ertönte eine Signalpfeife, und unsere Soldaten stürzten 
aus den Gräben mit aufgepflanzten Bajonetten, Offiziere voran. Sie legten im Lauf 
die 200 Meter zurück, die zwischen den deutschen und englischen Stellungen lagen, wobei 
sie unausgesetzt dem heftigen Feuer der versteckt aufgestellten deutschen Maschinengewehre 
ausgesetzt waren. Wir feuerten nicht, denn Schießen nimmt Zeit in Anspruch. Es war 
nur ein rasender Sturmlauf in offener Formation. In der ersten Linie fanden wir nur 
Tote und Verwundete. Immer weiter über die Gefallenen hinweg in die zweite Linie, 
die sich ungefähr 100 Meter hinter der ersten befand. Mit lauten Hurrarufen stürzten 
uns die Deutschen in Schwärmen entgegen, ebensosehr auf einen Kampf brennend wie 
wir selbst. Man ging mit Gewehren und Bajonetten gegeneinander los, ein Kamps 
entbrannte Mann gegen Mann, Schüsse aus nächster Nähe, dann der kalte Stahl. Die 
Gurkhas grinsten und stachen drauf los. Ganze Bataillone lösten sich von den Ver 
bänden und kämpften unabhängig unter ihrem eigenen Obersten. Jede noch so wichtige 
Mauer war eine kleine Festung geworden, hinter der ein mörderisches Maschinengewehr 
arbeitete, und jede Mauer mußte einzeln genommen werden. Die Deutschen bildeten 
eine dritte Linie, etwa 400 Meter hinter der zweiten, und auch diese mußte erobert 
werden." 
Aehnlich nur viel ausführlicher lautet der Bericht des von der englischen Regierung nach 
der Front entsandten offiziellen Beobachters des „Augenzeugen". Er schreibt: „Nachdem 
das Signal zum Sturm gegeben worden war, waren in weniger als einer halben Stunde 
beinahe alle Reihen deutscher Laufgräben an und um Neuve-Chapelle in unseren Händen. 
Außer an einer Stelle wurde kaum Widerstand geleistet; denn die Laufgräben, die hier 
und da durch das Geschützseuer buchstäblich weggefegt worden waren, lagen voll Toter und
	        
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