Volltext: Der Völkerkrieg Band 3 (3 / 1915)

28 Die Ereignisse auf den serbisch-montenegrinischen Kriegsschauplätzen 
ist das Gefecht allgemein. Kein Befehl. Da heißt es auf eigene Faust eingreifen. Nach 
einer kurzen, aber saftigen Kletterpartie stehen wir vor der Entscheidung, auf einem 
tiefen Sattel, vor uns das viereckige Bergmassiv des Bratagos. Ein feines Angriffs 
objekt, 1300 Meter hoch. Der Nord- und Nordwesthang terrassenförmig ansteigend, 
mit tiefen, stark verkarsteten Dolinen. Von dorther rollt das Jnfanterieseuer mit kaum 
fteigerbarer Intensität. Nichts ist zu sehen. Vom Schweiße dampftend, betrachten wir 
diese veritable Festung. Die Unsrigen haben sich wie die Bulldoggen verbissen. Die 
Maschinengewehre rattern. Ueber und vor der Kampflinie Platzen die Schrapnells. Das 
Echo verdreifacht den Donner. Auch mit dem Zeißglas ist nichts zu sehen. Trotzdem 
wissen wir, daß in kaum zwei Kilometer Entfernung tausend Männer mit bis zum Zer 
reißen gespannten Muskeln in einem Platzregen von Geschossen bergaufwärts keuchen. 
Die Leere des Gefechtsfeldes; dieses Schlagwort ist zum Wahrwort geworden. Bitter 
wahr, besonders für die Unterführer. Ueberall ideale Deckungen. Aber sie verlassen, 
wenn auf der feindwärtigen Seite die Stahlmantelgeschosse zerspritzen und der Felsen 
zersplittert! Wie soll man da 250 Gewehre, von denen man oft nur fünf sieht — so 
verschluckt der Karst die Leute —, auf den Berg hinaufbringen. 
Signalmittel sind nutzlos. Stimme!... Du hast keine mehr. Selbst der schrillste 
Pfiff ist in dem Höllenfeuer unhörbar. Da mußt du selber vom rechten zum linken 
Flügel springen; wieder zurück. Du hast ja noch eine Reserve. Der Gedanke: Was 
macht der Nachbar? zwingt dich, noch weiter Umschau zu halten. Aber es geht. Die 
Drückeberger werden bei deinem Anblick tapfer; die dicksten Buchen und tiefsten Schründe 
werden verlassen. Das Feuer wird schwächer. Salven sausen hoch über die Köpfe. Die 
eigene Artillerie, welche dich liebevoll bis zum letzten Moment begleitet, muß mit dem 
Fünfzehnfachen was Gutes gesehen haben; sie schießt über den Kamm. Erst einzelne 
Leute, dann rudelweise, und endlich mit brausendem Hurra! stürmt die ganze Linie vor. 
Dein Herz schlägt hoch — man steht oben. 
Die letzten der tapferen Verteidiger stehen in der Deckung auf, um noch einen Schuß 
anbringen zu können. Die bleiben gewöhnlich liegen. Auf das endlich sichtbar gewordene 
Ziel prasselt es hageldicht. Verfolgungsfeuer ist in den seltensten Fällen möglich. Ge 
wöhnlich ist schon der nächste Kamm besetzt. Noch kann man sich des Erfolges nicht 
freuen. Mit notdürftig geordneten Verbänden geht es weiter. Die kostbaren Augen 
blicke vor der erneuten feindlichen Feuereröffnung müssen genützt werden. Weiter rollt 
der Angriff, vier- bis fünfmal werden Höhen genommen. Je weiter in das Innere, 
desto leichter scheint es. Der Sonnenuntergang bringt Ruhe. 
Gefechtsmäßig gesichert, Gewehr im Arm, ohne die Wohltat, den Tornister ablegen zu 
dürfen, liegt der größte Teil auf der eroberten Linie. Die Nächte sind kalt, Tau fällt in 
nie beobachteter Reichlichkeit. Aber der Train kommt, die Menage kommt nachgeklettert, 
und mit apothekerhafter Genauigkeit verteilt der Feldwebel das kostbare Wasser. 
Am andern Morgen beschloß ich den Feind zu umgehen und den feindlichen Südflügel 
anzugreifen. Der Marsch, um Mittag angetreten, war zeitraubend, der Gedanke, nur 
nicht zu spät zu kommen, trieb alles vorwärts. Ein breites Kesseltal im Flankenfeuer im 
Schritt und Laufschritt überschreitend, mußte ich unter dem Hahnenberg rasten. Am 
Berg die Brigadeflagge und eine Batterie. Nicht weit davon traf ich unvermutet das 
Gruppenkommando und erhielt den Befehl, durch Umgehung die feindliche Rückzugs 
linie zu bedrohen... 
Der Feind aber verlängerte seinen Flügel nach Süden. Der Kampf um den Bergstock 
tobte mit unverminderter Heftigkeit. Ich rutschte im Flankenfeuer immer weiter nach 
Süden; zehnmal eröffnete ich das Feuer, zehnmal belehrte mich die freundliche Erwide 
rung, daß der südliche Flügel noch nicht erreicht sei. Die Mannschaft konnte nicht mehr
	        
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