Volltext: Der Völkerkrieg Band 3 (3 / 1915)

28 Die Ereignisse an der Westfront von Mitte Januar bis Mai 1915 
krachenden Tannengehölz. Es ist, als hätten alle Schlünde der Hölle stch aufgetan, 
firenenheulend, wutfauchend, hohnjuchend in unterirdischen Polyphonien. Rechts und links, 
vor uns, hinter uns schlägt das markerschütternde, metallene Dröhnen den Wald, durch 
den Strauch sticht die zuckende Flamme, in der durchhitzten Luft flimmert grüngefälltes 
Gezweig, und aus den Erdtrichtern steigt, wie aus Opferpfannen, schwelender Rauch. 
Um unsere Ohren zerschneiden Peitschenhiebe die Luft, summt's wie Hornissenflug: die 
Geschosse der Infanterie. Uns zu Häupten ein schrilles Trillern: Sprengteile und 
Granatenzünder stürzen zu Boden. Ab und zu schrecken unsere Körper zusammen, 
mechanisch und recken sich wieder. Seltsam, wir haben keine Furcht. Wir lauschen 
mit allen Sinnen, lauschen dem unbeschreiblich Großartigen und Unsaßlichen, das uns 
angeht wie ein Schauspiel entfesselter Leidenschaft und doch zugleich wie wesenloses 
Geschehen — wie Naturkräfte des Alls, die nur sichtbar werden in ihrer Wirkung: wo 
sie Material ummodeln, jäh und gewaltsam, und die blind, blindlings wuchten. Denn 
nur der Intellekt, nicht der Geist begreift, daß hier Menschen die Hebel werfen, und 
aus diesem Fleck Erde eins der gewaltigsten. Hieb um Hieb parierenden Artillerieduelle 
aller Zeiten sich abspielt, und ein Menschenringen im Gange ist, wie nie eins zuvor: 
die Champagneschlacht." 
Als die gewaltige Winterschlacht in der Champagne zugunsten der deutschen Helden 
scharen entschieden war, da hatte sich das Schlachtfeld in ein riesiges Leichenseld ge 
wandelt. 15000 Deutsche haben auf Frankreichs blutgetränktem Boden in wochen 
langen, männermordenden Kämpfen ihr Herzblut für ihr Vaterland hingegeben und die 
dreifache Zahl kostete Frankreich dieser völlig ergebnislose Verzweiflungssturm gegen die 
felsenfeste, undurchdringliche deutsche Mauer. 
„Zwischen den Gräben" — so heißt es in einer Beschreibung des Kampfplatzes von 
Erwin Berghaus in der „Kölnischen Zeitung" — „zu Krüppeln zerschossene Tannen, 
Tornister, Kriegsgerät kunterbunt, Waffenrockfetzen feldgrau und blau und knalligrot 
und Menschenleiber — die der unbegrabenen Toten. Zu Hunderten liegen sie da, die 
beim Sturm sielen, mit geknickten Gliedern, übereinander gelagert, reihenweise gefällt. 
Niemand schaufelt ihnen das Grab. Ueber die Körper stolpern die Stürmer, über die 
Toten hinweg ziehen die Lebendigen." Und der Kriegsberichterstatter W. Scheuermann 
schrieb, nachdem er an den Brennpunkten der Winterschlacht geweilt, in der „Nord 
deutschen Allgemeinen Zeitung": „Richtet man freilich das Fernglas auf einen der 
Punkte, die schon durch das stetige Einschlagen der Granaten als besonders wichtig 
gekennzeichnet sind, so sieht man, daß der Wald von Schützengräben durchzogen ist, in 
denen Armeen gegeneinander in Bereitschaft stehen. Und man sieht mehr: man sieht 
die Armee der Toten, die unbeerdigt zwischen den Stellungen liegt. Besonders grausig 
ist der Anblick eines Hügelabhanges, der wie übersät mit französischen Leichen ist, die 
hier in allen Stellungen, wie sie der Tod traf, hingestreckt liegen. Hier ist ein fran 
zösischer Sturmversuch in seinen Anfängen unter unserem Maschinengewehrseuer zu 
sammengebrochen. Die Franzosen aber, die doch nach ihren Berichten gesiegt zu haben 
behaupten, haben ihre Toten nicht beerdigen können. Dieser Leichenplatz ist noch nicht 
der schlimmste: an einer anderen Stelle liegt ein ganzes französisches Bataillon, das 
in einer Breite von 200 Metern anstürmte, in Reih und Glied bis auf den letzten Mann 
niedergestreckt. Insgesamt sollen etwa 30000 Tote zwischen den Stellungen gelegen haben." 
Wie bei Craonne so haben sich auch in den Kämpfen in der Champagne sächsische 
Regimenter besonders ausgezeichnet. Den beiden in der Meldung des Generalstabes 
genannten rheinischen Divisionen haben sie todesmutige Unterstützung gewährt. Das be 
stätigte der Befehlshaber der 3. Armee, Generaloberst von Einem, in einem Telegramm
	        
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