D i e Kämpfe im Zentrum der Schlachtfront 21
mit steilen Rändern, die Franzosen sich nicht hatten verdrängen lassen oder jedenfalls
nicht verdrängt worden waren. „Das ist der Graben, der mir am Abend des 6. Fe
bruar 1915 übergeben wurde," erzählt ein deutscher Offizier in der „Frankfurter Zeitung".
„Zunächst erlebte ich um 1 / 2 7 Uhr das grandiose Schauspiel einer konzentrischen Be
schießung dieses Grabens von drei Seiten her; halblinks hinter den bei uns berüchtigten
Höhen von Malmy, gerade aus in der Gegend von Virginy —Berzieux und halbrechts
etwa bei Beau-Söjour sah man es wetterleuchten und zwar fast auf die Sekunde gleich
zeitig, so daß man an ein telephonisches Zusammenarbeiten dieser räumlich weit ge
trennten Batterien denken mußte. Etwa 15 bis 20 Minuten, die einem aber viel länger
dünkten, sauste, zischte, krachte es über und besonders hinter uns. Zum Glück schossen
die Franzosen zu hoch. Als es dann wieder still wurde und ich die Besichtigung meines
neuen „Landgutes" fortsetzte, merkte ich, daß die französische Infanterie rechts und links
von oder halbwegs hinter uns auch nicht untätig war und den Graben dauernd be
unruhigte. Häufig aufsteigende Leuchtkugeln und Raketen (die bei den Franzosen mit
einem Fallschirm versehen sind und sehr lang in der Luft bleiben) zeigten ihnen jede
verdächtige Bewegung bei uns an.
Die Schwierigkeit der Stellung bestand nun nicht bloß in der weit vorgeschobenen
Lage des vor Massiges befindlichen Grabens, sondern vor allem auch in dem Umstand,
daß es sich um ein System ganz verworrener, kreuz und quer laufender Gräben handelte.
Wer nicht genau Bescheid wußte, fand überhaupt den Weg von der alten deutschen zu
der eroberten Stellung nicht hinüber. Es gab Aufregungen über Aufregungen in den
Nächten vom 6. bis 12. Februar 1915.... Am Morgen des 12. Februar brachten
dann endlich Patrouillen die Meldung, daß der Feind die Gräben um den Steinbruch
geräumt habe, nur am äußersten linken Flügel leistete er noch geringen Widerstand, ehe
er seine Gräben verließ. Seit dem Mittag des 12. sind die Deutschen demnach rechts
und links des Masstges-Grabens in dessen Höhe vorgerückt, und das Flankenfeuer auf
ihn hat damit aufgehört. Diese Tatsache liegt dem Wortlaut des deutschen Tagesberichts
„die Gräben nördlich Massiges wurden genommen" zugrunde."
Die folgenden Tage wurden zum Ausbau der gewonnenen französischen Stellungen
benutzt. Ueber die Beobachtungen, die dabei von den Deutschen gemacht wurden, schreibt
der oben bereits zitierte deutsche Offizier weiter: „Sehr dankenswert war ein schräg in
den Erdboden getriebener, wohl 25 Meter tiefer Stollen, der dem Kompagnieführer und
seinem Stab und sonst noch manchem Mann während der Zeit der Beschießung sicheren
Unterschlupf gewährt.... Obwohl wir in den vorhergehenden Tagen ungefähr 150
Leichen bestattet hatten, meist Franzosen, die schon seit dem 28. Dezember 1914 in dem
schmalen Raum zwischen der deutschen und französischen Stellung lagen, waren immer
noch einige übrig geblieben, darunter auch zwei von unseren braven Feldgrauen. Was
sah ich aber nun bei näherer Untersuchung des französischen Schützengrabens, der der
deutschen Sturmstellung zunächst gelegen hatte? Da und dort blickte eine zusammen
gekrallte Hand, ein Fuß, ein Kopf aus dem Erdaufwurf der Brust- und Rückenwehr
hervor! Die Franzosen hatten also die Leichen ihrer Kameraden als Deckungsmittel
benutzt und in die Erdwälle eingebaut! Das sind die Hüter der Zivilisation! Inden
Argonnen haben sie einen Waffenstillstand, der ihnen vom Kronprinzen angeboten war
und der hauptsächlich die Bestattung ihrer Toten ermöglichen sollte, zurückgewiesen; so
bleiben denn die Toten liegen, bis die Deutschen sich der Stellung bemächtigen und
dann endlich für Ordnung sorgen. Auch auf der Kampffront bei Ville-sur-Tourbe ist
es ebenso; dort lagen Anfang Februar 1915 noch Tote seit dem 26. September 1914!
Als Leute von uns vor einiger Zeit einen Versuch machten, sie zu bestatten, wurden
sie mit mörderischem Feuer empfangen."