Volltext: Der Völkerkrieg Band 3 (3 / 1915)

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Die Ereignisse an der Westfront von Mitte Januar bis Mai 1915 
teten Frage galt jahrzehntelang als das deutsche Nationallied — ein sprechendes Zeugnis 
der Ratlosigkeit und doch auch zugleich der beginnenden Einheit unseres nationalen Be 
wußtseins. Dann kam, als die Zeit der Erfüllung herannahte, Hoffmanns „Deutsch 
land, Deutschland über alles". Das erste dieser Lieder wird nie mehr, das zweite nur 
selten noch von unseren Kriegern gesungen, das Lied aber, das jeder kennt und jeder 
singt, ist die „Wacht am Rhein". Die ältere wie die neuere patriotische Dichtung 
hat Besseres hervorgebracht, unsere Wacht steht nicht mehr am Rhein, sondern an den 
Vogesen und an der Mosel, und der kleine französische Zwischenfall, aus dessen Anlaß 
es im Jahre 1840 entstand, ist längst vergessen. Auch ist es sicherlich nicht allein die 
vortreffliche Komposition, die es seit seiner fast zufälligen Wiederentdeckung im Jahre 1870 
am Leben erhalten hat, und der es seine Macht über das Herz des Soldaten verdankt, 
sondern der schlichte Inhalt selbst, wie ihn die Schlußzeile in die Worte zusammenfaßt: 
„Fest steht und treu die Wacht am Rhein"! 
Festigkeit und Treue, das sind die Eigenschaften, die dem Deutschen am höchsten 
stehen, oder um es in einem einzigen Wort auszudrücken, die Pflicht. Es ist die Pflicht 
treue, die der Deutsche aus dem friedlichen Beruf hinüberträgt in den Krieg, wo sie ihm 
zur höchsten aller Pflichten wird, zur Pflicht der Hingabe für das Vaterland*). 
Zusammenfassmde Darstellung der Kämpfe an 
der Westftont bis zur Schlacht von Arms 
Strategischer Durchbruch, Frontverbesserung oder die Fesselung starker deutscher Streit 
kräfte während des mit der Winterschlacht in Masuren endigenden Russenansturms gegen 
Ostpreußen oder während der Karpathenschlacht, oder endlich ein Gemisch solcher und 
ähnlicher Zwecke können die Ziele der großen Kampfhandlungen gewesen sein, zu denen 
sich die Verbündeten im Westen während der ersten vier Monate des Jahres 1915 ent 
schlossen hatten. „Welches ihre Beweggründe auch seien", schreibt die „Frankfurter 
Zeitung", „die Durchbrechung unserer Linien muß das nächste Ziel der Taktik der fran 
zösischen Armeen sein, gleichviel, ob sie Reservearmeen bereit stehen haben, die genügen, um 
etwaige taktische Erfolge auch strategisch auszunützen, oder nicht. Die deutsche Heeres 
leitung ist auf Grund ihrer Beobachtungen zu dem Ergebnis gekommen, daß es sich 
sowohl in der Winterschlacht in der Champagne, wie später zwischen Maas und Mosel, 
um Durchbruchsversuche großen Stils handelte, während die französische Heeresleitung 
in der Vorahnung des Mißerfolgs nur von „offensiven Rekognoszierungen" sprach." 
Die Schlacht bei Soissons (vgl. III, S. 140—146), die in den ersten Tagen des 
neuen Jahres begann und bis zum 12. Januar 1915 dauerte, war ihrem Charakter 
nach ein mit starken Mitteln unternommener deutscher Offensivstoß, der die deutsche 
Front näher an die Stadt Soissons heranbrachte und die Franzosen zum Rückzug über 
die Aisne zwang. Auch die Eroberung der französischen Stellung bei Hurtebise auf 
die Hochebene von Craonne am 25. und 26. Januar 1915 und der Einbruch in die 
französische Hauptstellung nördlich und nordöstlich Massiges am 4. Februar 1915 
waren Ergebnisse deutscher Sturmangriffe. Die Winterschlacht in der Cham 
pagne dagegen ist eine Verteidigungsschlacht, die gegen eine sechsfache Uebermacht mit 
dem Erfolg der vollen Behauptung der deutschen Stellungen durchgefochten wurde. Drei 
Wochen lang, vom 16. Februar bis zum 9. März 1915, ist aus der von welligen 
Hügeln durchzogenen Ebene der Champagne gekämpft worden. Jedoch die deutsche 
*) Aus dem bei Alfred Kröner in Leipzig erschienenen gedankenreichen Buche des Leipziger Ge 
lehrten, Professor Dr. Wilhelm Wundt, „Die Nationen und ihre Philosophie".
	        
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