24 Die Ereignisse auf den serbisch-montenegrinischen Kriegsschauplätzen
Grausamkeiten fallen meist den serbischen Fußkosaken, den Komitadschis,
sowie der Bevölkerung zur Last; aber auch die regulären Truppen gingen vielfach un
menschlich vor. Das von der österreichisch-ungarischen Regierung herausgegebene R o t -
buch mit dokumentarischen Belegen über die von Russen, Serben und Montenegrinern
an österreichisch-ungarischen diplomatischen Funktionären, Soldaten und Zivilgefangenen
begangenen Greueltaten, enthält im vierten Teil auch Beispiele von serbischen und
montenegrinischen Unmenschlichkeiten, die von grauenhaften Mißhandlungen Verwundeter,
von menschenunwürdiger Behandlung in Spitälern untergebrachter Kranker und von Ver
stümmelungen gefallener Soldaten berichten. Das Stück 128 z. B. erzählt von den
empörenden Martern an einem Husarenunterofsizier, dem von Serben die Unterarme ab
gehackt und die Oberarme gebunden wurden, worauf er in diesem Zustand auf ein Pferd
gesetzt und das Pferd im Galopp davongetrieben wurde. Einem andern Mann wurden
Einschnitte in das beiderseitige Rippenfell gemacht, ein Strick durch die Brust gezogen,
worauf er an demselben aufgehängt und unter ihm Feuer angezündet wurde. Andere
Leute wurden auf Bajonette gespießt und so umhergetragen. Außerdem wird von zahl
reichen heimtückischen Uebersällen durch serbische Komitadschis, Weiber und Kinder berichtet.
Auch Dumdumgeschosse, die sich unter den französischen Munitionslieferungen
befanden, wurden von den Serben benützt. Die „Bohemia" entnimmt dem Feldpostbriefe
eines österreichischen Hauptmanns folgende Angaben: „In den französischen Original
verpackungen mit der Aufschrift „Looiete krantzaise de Munition“ fanden sich drei
Magazine und in jedem neben Stahlmantelgeschossen ein bis zwei Dumdum. Der Stahl
mantel ist an der Spitze ausgebohrt und mit Blei ausgegossen. Das Blei war in
raffinierter Weise dünn vernickelt und kaum zu erkennen, verursachte aber ganz schreck
liche Wunden."
Den zähen Widerstand der serbischen Armeen haben Rußland und Frankreich
dadurch ermöglicht, daß sie ihren Bundesgenossen fortwährend mit Waffen und Trup
pen unterstützten. Augenzeugen haben wiederholt bestätigt, daß bereits Mitte November
1914 480 französische Artilleristen mit sechs schweren Marinegeschützen in Risch einge
troffen seien. Kurz darauf sollen nach einer Meldung der „Times" aus Sofia 70 Barken
mit Munition und Proviant aus Rußland auf der Donau in der serbischen Stadt Radu-
jevac bei Negotin angekommen sein. Anfangs Dezember kamen über Saloniki ununter
brochen Kanonen, Waffen, Munition und Lebensmittel, sowie französische Offiziere und
Mannschaften für Serbien an, und in Galatz kamen 15 Schiffe mit 55 Schleppschiffen
durch, die mit russischen Truppen und Munition für Serbien beladen waren. Zwischen
Saloniki und Risch war eine Verkehrsverbindung hergestellt, die den Serben die Zufuhr
außerordentlich erleichterte. Das alles konnte natürlich nur mit Griechenlands Beistand
und durch eine zum mindesten wohlwollende Duldung von seiten Rumäniens geschehen.
Ueber den Zustand des serbischen Heeres nach dem zurückgeschlagenen Einfall der
österreichisch-ungarischen Balkanarmee wird der „Kölnischen Zeitung" aus Saloniki am
27. November 1914 folgendes geschrieben: „Wenn man der Aussage landeskundiger
Leute Glauben schenken darf, so wäre die serbische Armee wohl noch in der Lage, den
österreichisch-ungarischen Truppen Widerstand entgegenzusetzen. An gut ausgebildeten
Truppen seien noch an die 150 000 Mann vorhanden, dazu noch ungefähr 100 000 Mann
Truppen zweiter und dritter Güte sowie noch eine Anzahl älterer Reservetruppen, die
teils gar nicht eingekleidet und nur mit älteren Waffen versehen, teils leidlich gut aus
gerüstet seien. Die serbische Artillerie könne immer noch gute Arbeit leisten; man erhalte
fortgesetzt aus Frankreich und Rußland Munition und Nachschub, auch befänden sich
unter den kürzlich aus Frankreich eingetrosfenen Leuten gewandte Offiziere und Tech
niker, die besonders im Minenlegen eine wirksame Tätigkeit entfalteten."