292 Der Seekrieg bis zur Erklärung der Unterseebootsblockade gegen England
er nichts erfahren können. Er hatte nur gesehen, daß die erste geschlossene Salve einer
Breitseite des „Scharnhorst" als Volltreffer eins der englischen Schiffe traf, dessen Aufbau
hinwegfegte und einen Panzerturm des Schiffes völlig zerstörte.
Nach dem Bericht eines inzwischen nach Europa zurückgekehrten Augenzeugen, eines
Schweizers, der aus einem der deutschen Kohlenschiffe Dienst tat, haben die Deutschen
den „Gneisenau", die „Leipzig" und die „Nürnberg" selbst versenkt, als alle Muni
tion verschossen war. Das schwer beschädigte englische Schiff sei „Inflexible" gewesen.
Ueber die Haltung der deutschen Seeleute waren die Engländer des Lobes voll. Admiral
Sturdee ließ den Ueberlebenden seine Glückwünsche zur Rettung und seine rückhaltlose
Bewunderung für ihr heldenmütiges Verhalten aussprechen.
Wie die deutschen Schiffe untergingen, schildern englische Augenzeugen in der englischen
und amerikanischen Presse. Die englischen Schiffe konzentrierten ihr Feuer zunächst auf
„Scharnhorst", da man wußte, daß sich der deutsche Kommandant darauf befinden mußte.
Hin und her schwankend infolge der unwiderstehlichen Stöße der englischen Geschosse gab
der „Scharnhorst" lange Zeit Schüsse ab, die meist zu kurz trafen oder über die eng
lischen Schiffe hinweggingen. Nach einer Stunde begann sich der „Scharnhorst" stark
aus eine Seite zu legen, und man bemerkte, daß an Bord Feuer ausgebrochen war. Er
war im Begriff zu sinken. In diesem Augenblick gab der „Canopus" Flaggensignale,
indem er bedeutete, daß das Feuer eingestellt worden sei und daß Boote abgeschickt
worden seien, um die Offiziere und Soldaten des „Scharnhorst" zu retten. Admiral
von Spee antwortete, er sei im Begriffe, die letzte Salve mit denjenigen Kanonen ab
zugeben, die noch nicht zerstört worden seien. Inzwischen drang das Wasser in den
Kielraum des „Scharnhorst". Das Schiff rollte ein wenig hin und her, dann tauchte
sein Vorderteil unter Wasser, während das Hinterteil noch kurze Zeit aus dem Meere
hervorragte. Dann, unvermutet, stieg eine Dampfwolke empor, und das Stahlgerippe
des Schiffes verschwand. Während sich das Meer still über dem Kreuzer schloß, war
jeder Mann auf seinem Posten. Der Admiral ging mit seinen Leuten unter. Auch
zwei seiner Söhne fanden in der Seeschlacht den Tod.
Nach einem begeisterten Bericht des Kapitäns des englischen Dampfers „Orissa" find
„Leipzig" und „Nürnberg" nicht minder heroisch untergegangen. Während das brennende
Schiff langsam in den Wellen verschwand, stand die Mannschaft auf der Back, die Flagge
hochhaltend, unter Hurras auf Kaiser und Reich die Uebergabe verweigernd. Als die
„Leipzig" schon gekentert war, schwang sich noch ein Mann schwimmend auf den Kiel,
schwenkte die Flagge und versank mit ihr in den Wogen.
Der Kampf an den Falklandsinseln hat trotz seines unglücklichen Ausgangs von neuem
die Ueberlegenheit der deutschen Marine bewiesen. Obgleich die Engländer in erdrücken
der Uebermacht waren — allein ihr artilleristisches Uebergewicht betrug das Sechsfache
— vermochten fie das deutsche Geschwader erst nach fünf Stunden zu besiegen und zwar
erst, als es keine Munition mehr hatte.
Der Kaiser hat auf ein Beileidstelegramm des Reichstagspräfidenten folgende Ant
wort gesandt: Das harte Schicksal, das unser ostasiatisches Geschwader betroffen, hat
Sie veranlaßt, im Namen des Reichstages dem tiefen Schmerz des deutschen Volkes
über den schweren Verlust so zahlreicher braver Helden, zugleich auch den Gefühlen des
Stolzes über ihre Taten und des unerschütterlichen Vertrauens in die Zukunft Ausdruck
zu geben. Ich danke Ihnen herzlich für diese Kundgebung. Mögen die schweren Opfer,
die der uns aufgezwungene Existenzkampf der Gesamtheit wie jedem einzelnen auferlegt,
getragen werden von der zuversichtlichen Hoffnung, daß Gott der Herr, aus dessen
gnädiger Hand wir Glück und Unglück, Freude und Schmerz in Demut empfangen, auch
die schwersten Wunden in Segen für Volk und Vaterland wandeln werde.