Der Handelskrieg in der Nordsee
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und die Interessen der Neutralen zu berücksichtigen. Er lautet: „Wegen des Auftretens
deutscher Unterseeboote im englischen und irischen Kanal sollen sofort alle englischen Han
delsschiffe neutrale Flaggen hissen und alle Abzeichen, wie Reedereizeichen, Namen usw.,
verdecken. Hausflaggen sind nicht zu führen. Dieser Befehl ist geheim zu halten."
Die deutsche Blockadeerklärung
Gelegentlich einer Unterredung mit dem Berliner Vertreter der „Ilnitsä Press“, die
700 amerikanische Blätter vertritt, erklärte Großadmiral von Tirpitz: „England
will uns aushungern. Wir können dasselbe Spiel treiben, England zu umzingeln, jedes
englische Schiff oder jedes seiner Verbündeten, das sich irgendeinem Hafen Englands
oder Schottlands nähert, torpedieren, und dadurch den größeren Teil der Nahrungs
mittelzufuhr abschneiden. Hieße das nicht nur England mit demselben Maß messen,
mit dem es uns mißt?" Für jeden Denkenden war es klar, daß diese Worte nicht nur
„Gedanken" darstellten, sondern daß hinter ihnen der Wille zur Ausführung stand. Es
galt nur, den Zeitpunkt abzuwarten, bis die deutsche Schiffsbautechnik diese jüngste
Waffe unserer Marine quantitativ und qualitativ auf die Höhe gebracht hatte, die das
Ziel ihrer fieberhaften Arbeit in den ersten Kriegsmonaten war. Man wird wohl erst
nach dem Krieg Näheres über die Einrichtung der neuen „Ueber"-Unterseeboote erfahren,
die auch Geschütze führen und Vorräte für drei Monate an Bord zu nehmen vermögen.
Am 4. Februar 1915 war der Augenblick gekommen. Der „Reichsanzeiger" veröffent
lichte folgende amtliche Bekanntmachung:
„1. Die Gewässer rings um Großbritannien und Irland einschließlich des gesamten
englischen Kanals werden hiermit als Kriegsgebiet erklärt. Vom 18. Februar 1916 an
wird jedes in diesem Kriegsgebiet angetroffene feindliche Kauffahrteischiff zerstört werden,
ohne daß es immer möglich sein wird, die dabei der Besatzung und den Passagieren
drohenden Gefahren abzuwenden.
2. Auch neutrale Schiffe laufen im Kriegsgebiet Gefahr, da es angesichts des von der
britischen Regierung am 31. Januar 1915 angeordneten Mißbrauchs neutraler Flaggen
und der Zufälligkeiten des Seekrieges nicht immer vermieden werden kann, daß die aus
feindliche Schiffe berechneten Angriffe auch neutrale Schiffe treffen.
3. Die Schiffahrt nördlich um die Shetlandinseln in dem östlichen Gebiet der Nordsee
und in einem Streifen von mindestens 30 Meilen Breite entlang der niederländischen
Küste ist nicht gefährdet. Der Chef des Admiralstabs der Marine: von Pohl."
Zur Erläuterung dieser Bekanntmachung wurde den Verbündeten, den Neutralen und
den feindlichen Mächten nachstehende Denkschrift mitgeteilt:
„Denkschrift der Kais erlich Deutschen Regierung üb er Gegenmaß nahmen
gegen die völkerrechtswidrigen Maßnahmen Englands zur Unter
bindung des neutralen Seehandels mit Deutschland.
Seit Beginn des gegenwärtigen Krieges führt Großbritannien gegen Deutschland den
Handelskrieg in einer Weise, die allen völkerrechtlichen Grundsätzen Hohn spricht. Wohl
hat die britische Regierung in mehreren Verordnungen die Londoner Seekriegsrechts
erklärung als für ihre Streitkräfte maßgebend bezeichnet; in Wirklichkeit hat sie sich
aber von dieser Erklärung in den wesentlichsten Punkten losgesagt, obwohl ihre eigenen
Bevollmächtigten auf der Londoner Seekriegsrechtskonferenz deren Beschlüsse als geltendes
Völkerrecht anerkannt haben (vgl. III, S. 16, 17). Die britische Regierung hat eine
Reihe von Gegenständen auf die Liste der Konterbande gesetzt, die nicht oder doch nur
sehr mittelbar für kriegerische Zwecke verwendbar sind und daher nach der Londoner
Erklärung wie nach allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts überhaupt nicht als
Konterbande bezeichnet werden dürfen. Sie hat ferner den Unterschied zwischen abso