Volltext: Der Völkerkrieg Band 3 (3 / 1915)

192 Die Türkei und der Heilige Krieg bis zu den Dardanellen-Kämpsen 
eine gänzliche Verkehrshinderung zu erzielen, die ungeheure Nachteile für die Krieg 
führung und den Handel Englands mit sich brächte. Auch für Holland, Italien und 
Portugal bildet der Kanal den nächsten Weg zu ihren Kolonien in Ostafrika und im 
Indischen Ozean. Die nahezu drei Wochen längere Seefahrt ums Kapland ist natürlich 
viel teurer und aus Gründen der Kohlenversorgung unpraktisch; die meisten Schiffe sind, 
um möglichst viel Waren verstauen zu können, so gebaut, daß sie bei ihren Fahrten 
mehrmals Kohlen einnehmen müssen, die sie aber an der westasrikanischen Küste nicht 
haben können. In der nördlichen Kanalzone spielt der Süßwasser führende A b e s sie 
kanal eine überaus wichtige Rolle. Gelänge es den Türken diesen zu nehmen, so wären 
Port Said, Jsmailje und Suez ohne Süßwasser, also wohl kaum auf längere Zeit als 
Operationsbasis von den Engländern zu halten. 
In Kleinasien 
Hatten die Engländer sich früher stets als die Schützer der Osmanen aufgespielt, wohl 
im Gedanken gelegentlich einen wertvollen Bundesgenossen gegen Rußland in ihnen zu 
finden, so hat sich diese Haltung mehr und mehr geändert, seit sich Lord R o s e b e r y, 
in Uebereinstimmung mit den Anschauungen seiner scharfsichtigen Landsleute in beiden 
politischen Lagern, mit Rußland wegen Persien verständigte und bei dieser Gelegenheit 
feststellen konnte, daß eine russische Invasion in Indien vorläufig ganz außerhalb der 
Pläne der Petersburger Regierung lag. Damit war eine der Hauptsorgen Englands 
beseitigt und die Möglichkeit zu politischen Plänen gegeben, die bislang zu kühn er 
schienen waren; ja die Ueberlegung brach sich Bahn, ob England nicht mehr zu gewinnen 
als zu verlieren habe, wenn es Rußland den Weg frei gebe nach dem Südosten Europas 
und nach Kleinasien. 
Seit Anfang der 90er Jahre haben sich die Absichten des britischen Imperialismus 
stetig erweitert. Außer einer direkten Bahnverbindung von Aegypten nach Südafrika 
faßte man in England auch die Möglichkeit einer solchen von Aegypten über Kleinasien 
nach Indien ins Auge. Die beabsichtigte Festsetzung der Engländer imsüdlichenPer- 
s i e n ist also nur als die erste Etappe zu weiteren Schritten anzusehen, die, falls sie ge 
längen, den Niederbruch des osmanischen Reichs herbeiführen müßten. Schon seit ge 
raumer Zeit hatte die Türkei allerlei Bitternisse und Demütigungen von den Engländern 
erfahren, besonders als diese ansingen, Intrigen in Arabien und Mesopotamien 
einzufädeln, um die Häuptlinge kleinerer Stämme gegen die hohe Pforte aufzuhetzen und 
ihnen dabei englischen Schutz in Aussicht zu stellen. Typisch für diese Art englischer Ein 
mischungspolitik ist der Fall von Koweit. Seit dieser Hafen als Endpunkt der Bagdad 
bahn am persischen Meerbusen ausersehen war, waren die Engländer entschlossen, Koweit 
in ihre Gewalt zu bringen, um der deutschen Unternehmung die Möglichkeit abzuschneiden, 
der britischen Vorherrschaft am persischen Meerbusen irgendwie unbequem zu werden. 
Wohl erinnerte die Türkei den aufständischen Sultan von Koweit mit Waffengewalt an 
seine Botmäßigkeit, doch England erklärte ihn als seinen Freund und als unabhängigen 
Herrscher, unterstützte ihn ausgiebig mit Waffen und Geld und legte ihm schließlich die 
vertragliche Verpflichtung auf, keiner fremden Macht, am wenigsten der Türkei, Vorteile 
zu gewähren, ohne des englischen Einverständnisses sicher zu sein. 
Die Erschöpfung der Türken durch den Balkankrieg, bei dem England seine türken 
feindliche Politik klar erwies, benützte es, um seine Vormacht in Koweit so zu festigen, 
daß dies Land gewissermaßen zu einer britischen Kolonie wurde. Das erhöhte Interesse, 
das britische Staatsmänner neuerdings auch für die heiligen Stätten des Islam, Mekka 
und Medina, an den Tag legten, macht es wahrscheinlich, daß dort in absehbarer Zeit 
Aehnliches beabsichtigt war.
	        
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