Volltext: Der Völkerkrieg Band 3 (3 / 1915)

Von der türkischen Politik Englands 
191 
sich finanziell an der Erstellung des hauptsächlich von Frankreich finanzierten Suez 
kanals zu betätigen. Im Gegenteil, sie bekämpften das ihnen unangenehme Werk nach 
Kräften, bezeichneten es als großen Schwindel und warnten offiziell vor dem Erwerb der 
Suezkanalaktien. Bei der überaus glänzenden Einweihung des Kanals im Jahre 1869, 
zu der Vertreter aller großen Nationen eintrafen, stand allein England grollend beiseite. 
Unterdessen hatten unsere britischen Vettern unablässig darauf hingearbeitet, die Ober 
hand in Aegypten zu bekommen, und suchten nun auch zu verhindern, daß der nächste 
Seeweg nach Ostafrika, Indien, China und Australien, in den Händen einer anderen 
Macht bleibe, die ihn gelegentlich zum Nachteil Englands hätte ausnützen können. Unter 
der Hand ließen also die Engländer viele Aktien des Suezkanals auskaufen und als 
ihnen der vor dem finanziellen Ruin stehende Ismail Pascha seinen ganzen Besitz dieser 
Aktien anbot (1875) — sie standen damals noch sehr nieder und hatten etwa ein Elftel 
ihres heutigen Kurswertes — griff Englands weitblickender Premierminister Dis 
rae l i rasch zu, so daß sich die Franzosen, die doch den Kanal gebaut und bis dahin die 
Majorität der Anteile besessen hatten, zu ihrer peinlichsten Uebervaschung plötzlich in die 
Minorität versetzt sahen. Damit war der Suezkanal unter der Kontrolle der Engländer; 
zu seiner weiteren Sicherung wußten sie beim Berliner Kongreß (1878) von der Türke: 
auch noch die Insel Zypern zu erpressen. 
Heute ist der Suezkanal trotz seines angeblich internationalen und neutralen Charak 
ters rein britischer Besitz, in dem die Engländer, zumal während des jetzigen Krieges, 
schalten und walten wie es ihnen beliebt. Seine Bedeutung für den Weltverkehr geht aus 
folgenden Zahlen, die wir dem „Neuen Wiener Tagblatt" entnehmen, hervor: Die Gesamt 
einnahmen der Suezkanalgesellschaft beliefen sich im Jahre 1913 aus 129 925 949 Fran 
ken, das ist um 9 996 690 Franken weniger als im Vorjahre. Die Verminderung der 
Einnahmen im Berichtsjahre ist hauptsächlich auf die am 1. Januar 1913 erfolgte Herab 
setzung der Kanalgebühren zurückzuführen. An dem Verkehr durch den Kanal nach 
beiden Richtungen beteiligten sich im Jahre 1913 5 085 (5373) Schisse mit einem Netto 
gehalt von 20 033 884 (20 275120) Tonnen. Der Verkehr von Norden nach Süden mit 
2427 (2462) Schiffen und einem Nettogehalt von 9 415 769 (9181011) Tonnen ist das 
ganze Jahr hindurch ziemlich gleich geblieben. Die bedeutendsten Ladungen der in dieser 
Richtung sich bewegenden Schiffe waren die Kohlensendungen Großbritanniens, rasfinier- 
ter Zucker aus den Häfen des Adriatischen Meeres, Petroleum russischer und amerikani 
scher Herkunft, Phosphate aus Algier und Tunis, insbesondere aber die nach Indien und 
dem fernen Osten exportierten Stahlwaren, Maschinen und Eisenbahnmaterialien. Der 
Verkehr vom Süden nach dem Norden mit 2658 (2911) Schiffen und einem Netto 
gehalt von 10 618115 (11094109) Tonnen hat durch die Verminderung der Sendungen 
von verschiedenen Getreidesorten aus Indien, die im Jahre 1912 besonders hohe Fracht 
ziffern ergeben hatten, gelitten, wurde aber durch die Lebhaftigkeit der Oelsamen-, 
Baumwoll- und Mangansendungen teilweise ausgeglichen. Ueber Port Said und Suez 
fuhren insgesamt 282 233 (266403) Passagiere. Die durchschnittliche Durchfahrtsdauer 
eines Schiffes betrug im Berichtsjahre 14 Stunden 18 Minuten, und der Gesamt 
aufenthalt im Kanal dauerte durchschnittlich 16 Stunden 19 Minuten. 
Vom Tonnengehalt der Schiffe, die von den seefahrenden Nationen durch den Kanal 
gesandt wurden, entfielen auf England 12 847 621, auf Deutschland 3 023 415, auf Hol 
land 1240264, auf Oesterreich 813 908, auf Frankreich 798 822, auf Italien 367 801, 
auf Rußland 363 817, auf Japan 319 626. Bei einer Länge von 161 Kilometern, einer 
Breite von 65—80 Metern, einer Tiefe von etwa 11 Metern, ist der Suezkanal aller 
dings nur an einem Teil seiner Länge angreifbar, weil große seitliche Seen an vielen 
Strecken kriegerische Aktionen behindern, allein mit verhältnismäßig geringen Mitteln ist
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.