Volltext: Der Völkerkrieg Band 3 (3 / 1915)

180 Die Türkei und der Heilige Krieg bis zu den Dardanellen-Kämpsen 
Die Bewegung der Aegypter gegen die englische Herrschaft nimmt zu. In Alexan 
drien herrscht förmlich Belagerungszustand. Zahlreiche vornehme Moham 
medaner wurden verhaftet. Das Arbeiterviertel ist durch Militär abgesperrt. Maschinen 
gewehre sind in den Straßen aufgestellt. 
3V. September 1914. 
In der ihm gewährten Audienz richtete der englische Botschafter an den 
Khediven, der zurzeit in seiner Sommerresidenz am Bosporus weilt, namens des 
Londoner Kabinetts die kategorische Aufforderung, sofort seinen Konstantinopeler Auf 
enthalt abzubrechen. Die englische Regierung stelle Sr. Hoheit eine Residenz in Neapel, 
Palermo oder Florenz zur Verfügung. Die Reise dahin müsse auf dem Seeweg erfolgen. 
Der Khedive entgegnete, er habe keinerlei Befehle Englands entgegenzunehmen. Der 
Botschafter zog sich auf diese Antwort, die keinen Zweifel aufkommen ließ und in dieser 
entschiedenen Form nicht erwartet worden war, in sichtlicher Verlegenheit aus dem 
Audienzsaal zurück. 
1. Oktober. 
Der Oberbefehlshaber der Okkupationsarmee hat verfügt, daß sich alle in Aegypten 
aufhaltenden Deutschen und Oesterreicher bei Strafe der Verhaftung durch die 
Militärbehörden bis zum 10. Oktober 1914 registrieren lassen müssen. Dieselbe 
Verfügung ist für den Sudan ergangen, wo Deutsche und Oesterreicher ihren Wohnort 
nicht ohne Paß verlassen dürfen. 
Anfang Oktober. 
Ein türkisches Kavalleriekorps erschien plötzlich an einem Punkte der 20 
Kilometer von der ägyptischen Grenze entfernt ist. Die englische Regierung ordnete daher 
eine genaue Ueberwachung des ganzen S u e z k a n a I s an, in dessen Mitte der Kreuzer 
„Warrior" stationiert ist. Mittlerweile tun die Engländer alles, um die Türken nicht vor 
den Kopf zu stoßen. Als dieser Tage einige türkische Schiffe aus Jemen den Kanal 
passierten, ließ der englische Kommandeur den türkischen Admiral kategorisch auffordern, 
vor der Weiterreise seine Funkenapparate zu entfernen. Der türkische Admiral antwortete 
mit entschiedenem „Nein", woraus die Engländer nichts mehr einzuwenden wagten. 
England soll einen Teil seiner ägyptischen Truppen, wie es heißt 15 000 
Mann, nach Frankreich geschickt haben, wohl aus den gleichen Gründen, die die 
englische Regierung in Kairo bewogen haben, die ägyptische Artillerie, aber ohne die 
Geschütze, nach dem Sudan zu versetzen und der Infanterie die Patronen abzunehmen. 
2. Oktober. 
2000 bewaffnete Beduinen sollen in Aegypten eingefallen sein. 
3. Oktober. 
Das ägyptische Ministerium weigert sich, die Maßnahmen des englischen 
Kommandanten anzuerkennen und zu veröffentlichen. Der englische Kommandant hat 
alle öffentlichen Gebäude militärisch besetzen lassen. 
6. Oktober 1914. 
In Konstantinopel eingetroffene Sonderkuriere aus Aegypten melden, daß die Er 
regung der muselmanischen Bevölkerung in ständigem Anschwellen sei. Jeder Ankom 
mende und Abreisende werde von den Engländern aufs strengste bis auf den Leib nach 
Briefschaften oder Waffen untersucht. Dieser Prozedur mußte sich sogar die bejahrte 
Prinzessin Nimet, eine Tante des Khediven, unterziehen, was Empörung hervorrief. 
Studenten der Universität von Kairo, die offen mit Deutschland sympathisierten, 
erhielten 100 Stockschläge und drei Monate Haft. Die Einfuhr türkischer Zeitungen ist 
aufs strengste verboten, die Betroffenen erhalten 50 Pfund Sterling Geldbuße und fünf 
Monate Hast. Die Besatzung, die aus muselmanischen indischen Truppen
	        
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