Volltext: Der Völkerkrieg Band 3 (3 / 1915)

116 Die russischen Kriegsschauplätze bis zur Winterschlacht in Masuren 
des Pruth, in Zuczka, wurde am Tage des letzten Abzuges, am 17. Februar 1915 noch 
ein Pogrom veranstaltet, wobei mehrere Juden getötet wurden, einer darum, weil er 
seine junge Frau vor der Schändung bewahren wollte. Auch in S e r e t h wurde der 
griechisch-orientalische Pfarrer geprügelt, an einen Baum gebunden und dann gezwun 
gen, der Schändung seiner eigenen Frau zuzusehen. Der grauenhafteste Mord aber ist 
am 14. Februar an dem reichsten Bürger von Storozynetz südlich Czernowitz begangen 
worden. Er wurde nachts ohne Angabe eines Grundes aus dem Bette geholt und am 
Morgen von vier russischen Soldaten gehängt; der Strick riß jedoch, worauf Isaak Zeller 
mayer der Hals durchschnitten wurde. Dann stachen die Russen der Leiche die Augen 
aus, beraubten sie und ließen sie nackt im Schnee liegen. Ich selbst habe in Storozynetz 
noch einen Zettel auf einer Telegraphenstange kleben gesehen, auf dem der Mord aus 
Todesangst vor den Russen nur mit den Worten: „Ein jähes Geschick hat ihn uns plötz 
lich entrissen", angezeigt war." 
Nicht anders war es in Kimpolung, wo der Kösakenmajor Sechin die Leitung 
des Gemeindeamtes übernommen hatte, nicht anders in allen anderen Städten und Dör 
fern der Bukowina. Ausdrücklich hebt aber Curt v. Reden hervor, „daß sich die Turk 
menen unter den Russen musterhaft benommen haben. Sie sagen, ihre Religion verbiete 
ihnen jede Gewalttat an der unschuldigen Bevölkerung." 
Mihail Sadovcanu, einer der bedeutendsten unter den heute lebenden rumänischen 
Schriftstellern, veröffentlichte im „Universul" unter dem Titel „Namenlose Schmerzen" 
eine erschütternde Schilderung der furchtbaren Greuel, die die ruffische Soldateska an 
der friedlichen Bevölkerung der Bukowina verübte. „Dieser Tage," so schreibt er, „bei 
einem Schneesturm, der wie ein grauer, beweglicher Flor Himmel und Erde bedeckte, 
kam an meine Tür ein Flüchtling aus der trauernden Bukowina. Es war ein Rumäne, 
mit tiefliegenden, leidvollen Augen, aus dem Distrikt von Gurahumora. Schnurrbart 
und Bart hingen ihm voller Eiszapfen; er stand da, wie gebeugt unter einer furchtbaren 
Last. „Vorgestern früh," so erzählte er, „haben mir die Kosaken das Haus angezündet, 
daß es brannte wie ein Streichholz. Damals, als sie ins Gebirge zogen, war es nichts 
Besonderes. Sie nahmen weg, was ihnen in die Hand fiel, und auch das Weibervolk 
fand keine Schonung. Jetzt aber, als sie zurückkehrten, verfolgt und geschlagen, da erst 
lernten wir alles Uebel kennen. Sie kamen in Hausen und waren voller Wut. Sie 
verlangten rasch Heu und Hafer für die Pferde und Essen für sich selber. Gleich daraus 
kam der Befehl, das Haus des Dorfrichters anzuzünden. Dann brachten sie den jüdischen 
Schankwirt, um auch ihm seinen Teil zu geben. Einer spießte ihn mit der Lanze auf, 
und ein anderer, der Mitleid mit ihm hatte, schoß ihn vor den Kopf, um seine Qualen 
zu beenden. Daraufhin kamen Leute von den Unserigen und baten, daß man ihre Häuser 
und Habe vor Raub schütze. Auch sie wurden von den Soldaten aufgespießt und nieder 
geschlagen. Es war fürchterlich. Und in der herrenlosen Schenke floß der Branntwein 
aus den Fässern. Die Soldaten tranken sich toll und voll und gingen dann in die Häuser, 
um ihre Gelüste zu befriedigen. Sie kamen zu mir sowie zu den anderen, ich weiß nicht 
mehr, wie viel es waren. Sie schändeten mein Weib vor den Augen der Kinder und ver 
gewaltigten meine unreife Tochter vor den Augen der Eltern. Mich banden sie mit 
Stricken und warfen mich unter die Ofenbank, damit ich meine Schmach sehe und nichts 
tun könne, damit ich mich nicht vergreife und nicht sterbe, damit ich lebe als der elendeste 
aller Menschen. Und ganz zuletzt steckten sie uns das Haus in Brand. Die Weiber liefen 
davon, wie die Gluckhennen mit den Küchlein, wohin ihre Füße sie trugen, damit wir 
sie nicht umbringen; und als der Brand aufhörte, als wir die ganze Arbeit unseres 
Lebens in Asche verwandelt sahen, da gingen auch wir in die weite Welt. Und so kam ich 
bei diesem Schneesturm an diese Tür."
	        
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