Volltext: Der Völkerkrieg Band 3 (3 / 1915)

D i e Schlacht in Polen 
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mittags, genau nach den Gefechts-Zeiten des ersten Tages, griff wiederum die Infanterie 
an. Reserven wurden mit in das Feuer geschickt. In drei dichten Wellen sah man sie ruhig 
über den weißen Schneegrund vorgehen; doch dann, mit einem Male, waren sie wie vom 
Erdboden verschwunden. Deckung hatten sie gesucht, und aus dieser heraus entwickelten 
sich nun die neuen ausschwärmenden Linien. Wieder ging es zum Sturm vor... 
Während draußen der Sturm weiter tobte, gruben Mannschaften ihren am Tage zuvor 
gefallenen Kameraden die letzten Ruhestätten. In schweigender Arbeit standen sie dabei. 
Hier waren es Einzelgräber, die dicht im Schutze der Mauern des Gotteshauses aus 
gehoben wurden, dort waren es Grabstätten, in denen die Gefallenen zusammen bei 
gesetzt werden sollten. Eine solche Gruft entstand dicht neben der Kirchhofsmauer, in ihr 
legte man die Toten alle so, daß sie westwärts nach der Heimat sahen. Wundervolle 
Worte fand ein Feldgeistlicher, der am offenen Grabe die Ruhe der auf dem Felde der 
Ehre Gebliebenen einsegnete, der ihren Kameraden von Kampfesfreude und Kampfes 
not sprach, während sie entblößten Hauptes von den Toten Abschied nahmen... 
Die Geschütze donnerten; sie schwiegen und donnerten wieder. Es lag eine merkwür 
dige Spannung in der Luft: Es sollte gelingen! Es mußte gelingen!... Im Zwiespalt 
der Gefühle ging der Tag zu Ende, und ebenso brach mit neuen Kämpfen der dritte 
Gesechtstag, der 2. Februar, an... 
Mittags war es. Wir saßen im Gefechtsstand der Division wieder bei der Feldküchen 
kost, als das Telephon ungestüm zu trompeten anfing. Mit einem Satz war der General- 
stabsoffizier am Apparat. „Herr General! sie kommen!..." „Wer?" „Die Russen 
kommen, Herr General! Sie kommen in hellen Haufen," sagte der Generalstabshaupt 
mann, „sie kommen auf der ganzen Linie und laufen über!"... „Das heißt, unsere 
Jungen sind durch?" fragte der General; er reckte sich und gab die Befehle aus, die 
weitergegeben werden sollten. Sie gipfelten darin, daß man den ins Wanken geratenen 
Russen mit dem schweren Feuer der Maschinengewehre hart auf den Hacken bleiben sollte. 
Mit allem zur Verfügung stehenden Nachdruck setzte der Kampf noch einmal 
ein. Der Geschützdonner begann von neuem; Mörser und Haubitzen, namentlich die 
letzteren, die schon in neuen vorgeschobenen Stellungen standen, feuerten jetzt über 
Humin hinaus und das Ziel war kein geringeres als die rückwärtige Verbindungsstraße 
der Russen und die im Zuge dieses Weges liegende Suchabrücke. Die Russen bekamen 
also Front- und Rückenfeuer und unter diesem Eindruck gingen sie denn auch tatsächlich 
mit erhobenen Händen zu uns über. Neue Jnfanteriereserven wurden nach vorn be 
fohlen. Es dauerte keine halbe Stunde, als man sie auf dem jenseitigen Rawka-Ufer 
herannahen sah, und nun ereignete sich ein wundervolles Zusammentreffen, fast möchte 
ich sagen ein Schauspiel, ungeheuer geschickt inszeniert und doch in dieser Stunde aus 
dem Zufall geboren. Eine braungraue Schlange schob sich vielgliedrig über die Straße 
heran. Bajonette blitzten seitwärts davon auf, und in demselben Augenblick als die 
Spitze des über tausend Köpfe zählenden ersten Gefangenentransportes an der Rawka- 
brücke anlangte, rückten von Bolimow her und in zwei breiten Zügen auch schon dies 
seits des Flusses unsere singenden winkenden Reserven in das Gefecht vor. Der Gefan 
genenzug staute sich, denn zuerst mutzten natürlich unsere feldgrauen Jungen vorüber, 
denen die Generale, die Offiziere, die am Wege standen, viel freundliche Grüße und 
Wünsche mit auf den Weg gaben. Eine mattgoldene Wintersonne beleuchtete das bewegte 
Bild, und als dann später die Masse der Gefangenen, die sich von Stunde zu Stunde 
vermehrte, auf dem Marktplatz von Bolimow stand, als die Russen ihre eigenen 
Maschinengewehre vor dem Gefechtsstand der Division auffahren mußten und dort aus 
der Masse der Transportierten, ein Major, fünf Hauptleute, im ganzen zwanzig Offiziere, 
zusammen geführt wurden, gab es in dem Städtchen eine wohl begreifliche Freude...
	        
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