Volltext: Kommentar zu den deutschen Dokumenten zum Kriegsausbruch (5 / 1920)

Rußland und Österreich-Ungarn bitten soll¬ 
ten, die Grenze nicht zu überschreiten, und 
den Mächten Zeit zu geben zwischen ihnen zu vermitteln, (Blau¬ 
buch Nr. 24, 25, 26, Orangebuch Nr. 22). Diesen erweiterten 
Vorschlag teilte er ebenfalls Lichnowsky mit (Weißbuch Nr. 180). 
Die deutsche Regierung antwortete hierauf am gleichen Tage, 
sie sei, falls ein österreichisch-russischer Streit entstehen sollte, 
bereit, vorbehaltlich ihrer bekannten Bündnispflichten, zwischen 
Österreich und Rußland mit den anderen Großmächten zusammen 
eine Vermittlung eintreten zu lassen (Weißbuch Nr. 192V Die 
Annahme dieser beiden Vermittlungsvorschläge seitens der deut¬ 
schen Regierung bedeutete ein größeres Entgegenkommen, weil 
hierin eine ausgesprochene Rücksichtnahme auf Rußlands Sonder¬ 
stellung in bezug auf Serbien und seine besonderen Balkaninter¬ 
essen lag. Sie bildete ferner die Grundlage für eine gemeinsame 
deutsch-englische Tätigkeit im Sinne der Erhaltung des euro¬ 
päischen Friedens. 
Am 25. Juli trat Grey mit einer weiteren Anregung hervor: 
Deutschland möge auf Wien einwirken, damit die (weder in London 
noch in Berlin bekannte) serbische Antwort als be¬ 
friedigend angesehen werde (Weißbuch Nr. 186). Die 
Minister unternahmen diesen Schritt auf Grund eines Telegramms 
des englischen Geschäftsträgers in Belgrad vom gleichen Tage 
(Blaubuch Nr. 21, Weißbuch Nr. 191 a), das, wie sich heraussteilen 
sollte, den Inhalt der serbischen Note wenig zutreffend wiedergab. 
Auch diese Anregung wurde noch in der Nacht zum 26. Juli von 
Berlin nach Wien weitergegeben, war jedoch von den Ereignissen 
überholt, als sie dort eintraf. 
Auf diesen Vorschlag muß sich die Äußerung Jagows gemäß- 
dem Telegramm Szögyenys vom 27. Juli (Rotbuch 1919, II, 
Nr. 68) beziehen: 
„So sei bereits gestern die englische Regierung durch den deutschen Bot¬ 
schafter in London und direkt durch ihren hiesigen Vertreter an ihn, Staats¬ 
sekretär, herangetreten, um ihn zu veranlassen, den Wunsch Englands betreffs 
unserseitiger Milderung der Note an Serbien zu unterstützen. Er, Jagow, 
habe darauf geantwortet, er wolle wohl Sir E. Greys Wunsch erfüllen, Eng¬ 
lands Begehren an Euer Exzellenz weiterzuleiten; er selbst könne dasselbe 
aber nicht unterstützen, da der serbische Konflikt eine Prestigefrage der öster¬ 
reichisch-ungarischen Monarchie sei, an der auch Deutschland partizipiere. 
Er, Staatssekretär, habe daher die Note Sir E. Greys an Herrn von- 
Tschirschky weitergegeben, ohne ihm aber Auftrag zu erteilen, dieselbe Euer 
Exzellenz vorzulegen; darauf hätte er dann dem englischen Kabinett Mit¬ 
teilung machen können, daß er den englischen Wunsch nicht direkt ablehne: 
sondern sogar nach Wien weitergegeben habe.“
	        
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