Volltext: Kommentar zu den deutschen Dokumenten zum Kriegsausbruch (5 / 1920)

scheinlich“, daß die russische Regierung bereits die serbische zu 
äußerster Mäßigung veranlaßt habe (Blaubuch Nr. 22). Ein 
Beweisstück für diese Annahme liegt jedoch nicht vor. In seinem 
Telegramm nach Wien vom 24. Juli (Orangebuch Nr. 4) erklärte 
Sasonow vielmehr, die Mächte würden erst, im Falle sie sich von 
der Berechtigung gewisser österreichisch-ungarischer Forderungen 
durch Einsicht in die Ergebnisse der Untersuchung in Sarajevo 
überzeugt hätten, in der Lage sein, der serbischen Regierung 
dementsprechende Ratschläge zu erteilen. Am 25. Juli bemerkte 
er zu Greys Vorschlag der Erteilung bedingter Ratschläge in 
Belgrad (Blaubuch Nr. 12), es sei hierzu zu spät (Blaubuch Nr. 17). 
Hieraus geht ebenfalls hervor, daß Petersburg nicht im Sinne 
der Mäßigung auf Belgrad eingewirkt hatte. (Das Gegenteil 
behauptete freilich Grey nach Weißbuch Nr. 258, Schebeko nach 
Blaubuch Nr. 118 und Bienvenu Martin in Gelbbuch Nr. 36 und 
61, ohne aber Belege zu erbringen.) Nach einem Bericht des 
belgischen Geschäftsträgers in Petersburg vom 26. Juli 1914 
(Nr. 782/396) hätte Sasonow der serbischen Regierung nahegelegt, 
„jenen Forderungen des Ultimatums, welche rechtlicher Art seien, 
nachzukommen, während ihr zu verstehen gegeben wurde, daß 
jene Forderungen, welche durch ihren politischen Inhalt die 
Souveränität und Unabhängigkeit der Nation berührten, nicht 
den Gegenstand einer Kapitulation bilden dürften“. (Deutsche 
Allgemeine Zeitung vom 22. 5. 1919.) Eine zur Unnachgiebigkeit 
neigende Regierung mußte in diesem Ratschlag die Aufforderung 
sehen, die österreichisch-ungarischen Forderungen abzulehnen. 
Der serbische Gesandte in Petersburg hat in der „Nowoje 
Wremja“ vom 23. Dezember 1914 mitgeteilt, Sasonow habe am 
24. Juli „große Entschlossenheit“ an den Tag gelegt und ihm 
gesagt, daß Rußland in keinem Fall aggressive Handlungen 
Österreichs gegen Serbien zulassen könne. Er — Sasonow — 
habe Pourtales erklärt (was aber nicht zutrifft, vgl. Weißbuch 
Nr. 160, 204), daß ein Überfall auf Serbien die größten Lebens¬ 
interessen Rußlands berühre, und deshalb die russische Regierung 
gezwungen sein werde, diejenigen Maßregeln zu ergreifen, die sie 
im gegebenen Moment für notwendig befinden werde (Norddeutsche 
Allgemeine Zeitung vom 3. 1. 1915). Eine derartige Erklärung, 
die in Belgrad natürlich mit den früheren Hinweisen auf einen 
kommenden Krieg mit Österreich-Ungarn in Verbindung gebracht 
wurde, muß als das Gegenteil einer Aufforderung zur Nachgiebig¬ 
keit angesehen werden, überdies hat der griechische Gesandte 
in Belgrad am 25. Juli berichtet, es sei der dortigen Regierung 
bekannt, daß der Ministerrat in Petersburg die militärische Unter¬ 
stützung Serbiens beschlossen habe, daß aber die Entscheidung 
des Zaren noch ausstehe (Griechisches Weißbuch 1913-1917, 
Nr. 12).
	        
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