Volltext: Kommentar zu den deutschen Dokumenten zum Kriegsausbruch (5 / 1920)

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europäischen Krieg zu entfesseln, damals nicht bestand“ 
(K. Seite 48) in Einklang bringen mit der Behauptung, daß zu 
derselben Zeit „eine Verschwörung zum mindesten gegen Serbien 
und Rußland, wenn nicht gegen den Frieden der Welt“ (K. Seite 50) 
stattgefunden hat? 
Das Hauptargument für die These des bewußt herbeigeführten 
Präventivkrieges, nämlich der Potsdamer „Kronrat“ oder „Kriegs¬ 
rat“ unter Teilnahme der Generalstabschefs beider Kaiserreiche, 
ist hinfällig geworden, denn nicht darauf kommt es an, ob einige 
Offiziere mehr oder weniger über das Vorhaben Oesterreich- 
Ungarns unterrichtet wurden, sondern darauf, daß nicht von 
deutscher Seite eine gemeinsame Beratung der politisch und mili¬ 
tärisch leitenden Persönlichkeiten beider Länder veranlaßt worden 
ist. Vom, realpolitischen Standpunkt aus muß es sogar als 
ein Fehler bezeichnet werden, daß nicht wenigstens die deutschen 
Zivil- und Militärbehörden in gemeinsamer Beratung unter sich die 
Lage besprochen haben, wie es in Oesterreich-Ungarn geschehen 
ist. In militärischer Beziehung ferner war es ein schweres 
Versäumnis, daß man sich nicht vergewisserte, welche Vorsorge der 
österreichisch-ungarische Generalstab getroffen hatte, um im Falle 
des Mißlingens der „Lokalisierung“ des Konflikts die Masse der 
Truppen rasch gegen Norden zu werfen, gegen Serbien aber 
nicht mehr als 3—4 Armeekorps mit rein defensivem Auftrag zu 
lassen. Vom moralischen Gesichtspunkte sind diese politi¬ 
schen und militärischen Versäumnisse eine große Rechtfertigung 
der deutschen Haltung, aber es war für die Einleitung des 
Kampfes gegen die russische Uebermacht ein ungemein er¬ 
schwerender Umstand, daß nach der eigenhändigen Niederschrift 
des österreichisch-ungarischen Generalstabschefs am 1. August 
infolge der Einleitung des Aufmarsches gegen Serbien mit zu 
starken Kräften „große technische Schwierigkeiten“ bestanden, 
„die überwiegenden Hauptkräfte gegen Rußland zu versammeln“ 
(G. Seite 311, Anm. 2). 
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IV. Das Ultimatum an Serbien 
Eine Verkennung der politisch-militärischen Zusammenhänge 
ist es, wenn Deutschland, nachdem einmal die moralisch 
gewiß nicht zu billigende Aktion gegen Serbien be¬ 
schlossen war, ein besonderer Vorwurf daraus gemacht wird1, daß 
es Oesterreich zu einem raschen Vorgehen drängte. Denn 
wenn Oesterreich-Ungarn politisch und militärisch rascher 
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