Volltext: Kommentar zu den deutschen Dokumenten zum Kriegsausbruch (5 / 1920)

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nicht für, sondern eher gegen das Vorhandensein eines Planes, 
Rußland in nächster Zeit zum Entscheidungskampf herauszufor¬ 
dern. Daß jedenfalls auf deutscher Seite „die Absicht, einen 
europäischen Krieg zu entfe'sseln, damals (am 5. Juli, am 
Tage der Ueberreichung des Memorandums) nicht bestand“, erklärt 
der Verfasser selbst auf Seite 48. Ein Irrtum ist es, wenn er an¬ 
fügt, das deutsche Weißbuch vom Juni 1919 „verschweige, daß 
man damals schon den Oesterreichern freie Hand zu einem Kriege 
gegen Serbien gab auf die Gefahr hin, damit einen Krieg 
gegen Rußland hervorzurufen“. Der Bericht der deutschen Vierer¬ 
kommission erinnert vielmehr daran, daß die deutsche Regierung 
schon in der am 3. August 1914 dem Reichstag vorgelegten Denk¬ 
schrift offen aussprach, „daß sie der nach dem Attentat von 
Sarajevo in Wien gehegten Auffassung zugestimmt und eine dort 
für nötig erachtete Aktion gebilligt habe“ (Weißbuch Juni 1919, 
Seite 57). Der Bericht wiederholt später nochmals, Deutschland 
habe der österreichischen Auffassung, auf dem Eindruck einer 
militärischen Expedition zu bestehen, „zugestimmt und Oesterreich 
dabei ermutigt“. Daß dies auf die Gefahr eines Krieges mit 
Rußland hin geschah, wurde schon am 3. August 1914 amtlich 
niedergelegt. Aber Kautsky selbst führt in dem Bericht Szögyenys 
vom 6. Juli (Seite 47), dem Briefe Jagows vom 18. Juli (Seite 66), 
dem bayerischen Bericht vom gleichen Tage (Seite 80) und dem 
des belgischen Gesandten Baron Beyens vom 28. Juli (Seite 65) 
überzeugende Beweise dafür an, daß in den leitenden politischen 
Kreisen Berlins die Gefahr einer russischen Intervention sehr stark 
unterschätzt wurde. 
Bei dieser Auffassung ist es schwer verständlich, daß einer, 
mehr als drei Jahre nach den Ereignissen, am; 30. August 1917, 
von dem in der kritischen Zeit nicht in Europa weilenden 
späteren Unterstaatssekretär Freiherrn von dem Bussche gemachten 
Aufzeichnung besonderes Gewicht beigelegt wird, wonach am 
6. Juli eine „Beratung militärischer Stellen“ in Potsdam stattge¬ 
funden, auf alle Fälle vorbereitende Maßnahmen für einen „Krieg“ 
beschlossen worden und „entsprechende Befehle“ ergangen sein 
sollen (D. Anhang VIII und K. Seite 49). Die Bewertung dieser 
nachträglichen Aktennotiz steht nicht im Einklang mit dem Er¬ 
gebnis der Nachforschungen, die das Auswärtige Amt im Oktober 
1919 bei dem in Betracht kommenden Behörden und Persönlich¬ 
keiten über den Inhalt dieser Besprechungen hatte anstellen lassen, 
wobei sich ergab, daß es sich lediglich um kurze Informationen 
einer Anzahl von Offizieren handelte (Anhang zu den Vorbe¬ 
merkungen der deutschen Vorkriegsakten). Wie soll man schlie߬ 
lich die schon erwähnte Auffassung, daß „die Absicht, einen
	        
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