Volltext: Kommentar zu den deutschen Dokumenten zum Kriegsausbruch (5 / 1920)

letzungen hat man offenbar in der Hoffnung eingeschlagen, daraus 
den Bündnisfall für Italien konstruieren zu können. Dafür sprechen 
die zahlreichen Telegramme nach Rom, die auf französische Über¬ 
griffe hinweisen (Weißbuch Nr. 664 , 690, 694, 713 , 725 , 774). 
Wie sinnlos und unbegründet die Hoffnung war, mit diesen Mitteln 
auf Italien einzuwirken, bedarf keiner Erläuterung. 
VII. Die Haltung Englands 
1. Deutsch-englische Vermittlungstätigkeit 
Da es in erster Linie der Zusammenarbeit Deutschlands und 
Englands zu danken war, daß die kritische Zeit der- Balkankriege 
1912/13 ohne ernsteren Konflikt der Mächte vorübergegangen 
war, so lag es nahe, daß diese beiden Mächte auch bei der Krise 
von 1914 gemeinsam der Sache des Friedens dienen würden. Wegen 
des Bündnisses mit Österreich-Ungarn besaß Deutschland zwar 
in diesem Falle nicht dieselbe Handlungsfreiheit wie in der vorher¬ 
gehenden Krise, in der es sich in erster Linie um Konflikte zwischen 
den Balkanstaaten handelte. Die deutsche Regierung konnte 
aber annehmen, daß sich jeder im Interesse des Friedens notwendige 
Schritt mit der Erfüllung ihrer Bündnispflichten vereinigen lassen 
werde. Bis zum letzten Augenblick hat sie sich bemüht, gemeinsam 
mit England die Gefahren eines europäischen Krieges zu beschwören. 
Noch in der Denkschrift vom 3. August wurde gesagt: „Schulter 
an Schulter mit England haben wir unausgesetzt an der Ver¬ 
mittlungsaktion fortgearbeitet und jeden Vorschlag in Wien unter¬ 
stützt, von dem wir die Möglichkeit einer friedlichen Lösung des 
Konfliktes erhoffen zu können glaubten.“ Damals war noch 
nicht bekannt, daß die englische Regierung weder mit der gleichen 
Ehrlichkeit noch mit derselben Tatkraft-für die Erhaltung des 
Weltfriedens gewirkt hatte, wie die deutsche. Durch die Wider¬ 
sprüche, in die sich der ewig schwankende Grey verwickelte, wurde 
seine Politik zu einem Doppelspiel. Stärkere Charaktere, die ihn 
vorwärts drängten, mögen den Ausschlag gegeben haben. Sie 
waren alle deutschfeindlich. Grey hat sich während des ganzen 
Verlaufs der Verhandlungen bemüht, Berlin zu einem energischen 
Eingreifen in Wien anzustacheln. Die deutsche Regierung wird 
ihre Vermittlung nicht allein um der Erhaltung oder Befestigung 
der guten Beziehungen zu England willen betrieben haben, sondern 
vor allem im Interesse des europäischen Friedens. Sie hegte
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.