Volltext: Johannes Bünderlin von Linz und seine Stellung zu den Wiedertäufern

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und äusseren Gottesdienst die Religion des Herzens und die 
innere Gottesverehrung entgegensetzten, nicht Huss, welcher aus 
dem Grundsatze, dass vor Gott alle gleich und auch der Priester 
kein Vorrecht habeT die Schriftwidrigkeit der Ohrenbeichte und 
die Notwendigkeit der Spendung des Altarsacramentes unter 
beiderlei Gestalten auch an die Laien ableitete, nicht Wicliffe, 
welcher alle Dogmen und äusseren Gebräuche verwarf, die sich 
nicht aus der Bibel ableiten lassen, nicht Johann Wessel, nicht 
Johann von Wesel und Geiler von Kaisersberg, denen die Fröm¬ 
migkeit und Gottseligkeit nicht in äusseren Gebräuchen und ein¬ 
zelnen Werken, sondern in der Gesinnung und dem Glauben 
bestand, denen die Kirche lediglich eine ideelle Vereinigung durch 
das Band der Liebe war und die nur ein allgemeines Priester¬ 
thum, keine Hierarchie und keinen Papst anerkannt wissen wollten. 
Sie alle sahen in dem mystischen Evangelium einen Protest 
gegen die Eeligion in Satzungen und Buchstaben, die Forderung 
der Freiheit des Individuums gegenüber dem Zwange der Ortho¬ 
doxie in Glaubenssachen. 
Jener demokratische Grundsatz der Mystik, dass jeder 
Mensch Gott von Angesicht zu Angesicht gegenübertritt und 
keines Mittlers bedarf, und dass er, was er im tiefinnersten 
Herzen fühle, auch in der Sprache seines Herzens, in der Mutter¬ 
sprache, zum Ausdruck bringen könne, hat ihr ihre Anhänger 
erobert. 
Hiemit innig verwandte Ansichten aber sind mit dem Beginn 
des 16. Jahrhunderts zugleich mit der Cultur der Renaissance 
über die Alpen in Deutschland eingedrungen und haben hier zur 
Kirchenreformation geführt; die Humanisten waren die Verbreiter 
derselben. 
Erasmus von Rotterdam schreibt in seinem Handbuch des 
christlichen Streiters : 
„Du hältst eine angezündete Wachskerze für ein Opfer, 
aber das ist kein rechtes. In die Kutte eines Mönchs hüllt sich 
dein Körper, aber deine Seele ist noch mit dem weltlichen Kleide 
angethan. In dem sichtbaren Tempel beugst du das Knie deines
	        
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