Volltext: Allgemein verständliche Vorlesung über die Legenden vom heil. Florian und vom heil. Maximilian, den Heiligen der Diözese Linz

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Wenn ich daher von gefälschten Legenden spreche, so wird damit 
w e d e r ei n Glaube n s s a tz, n o ch eine Ei n r i ch t n n g der katholis ch e n 
Kirche, noch die Hei lägen Verehrung als solche angefochten. Im 
Gegenteile soll durch die Besprechung bewirkt werden, daß, was bisher unter 
lassen worden ist, endlich ans den Heiligenlcgcnden, die man den Gläubigen in 
die Hände gibt, und aus dem Brevier, welches der katholische Priester bei Ver- 
meidung schwerer Sünde täglich zu lesen gehalten ist, die vollständig erfundenen 
oder verfälschten Legenden ausgeschieden und dem christlichen Volke, das 
auf Wahrheit Anspruch hat, nur die unzweifelhaft echten Legenden vorerzählt oder 
übergeben werden, damit dasselbe seine Verehrung nicht an nnbe- 
k a » n t e v d e r e r fund e n e F ü r b i t t e r verschwende. 
Legenden, Lebensbeschreibungen der Heiligen wurden gewünscht und zur 
Verehrung derselben für notwendig erachtet, als ihre Zahl durch Auffindung von 
Heiligenleibern sich vermehrte. In den hundert Jahren zwischen 350 und 450 
n. Chr. G. sind eine Menge von Heiligen in allen Provinzen des römischen 
Reiches wiedergefunden worden. Der erste bedeutende Fund war das Kreuz Christi, 
das um 344 in Jerusalem zutage kam; es folgten die Auffindung des Grabes 
der Mutter der sieben makkabäischen Brüder, des Leibes des h. Timotheus, des 
Grabes Johannes des Täufers, dessen Kopf zweimal zu Kyzikos am Marmara- 
meere und zu Ein eia in Sprien zum Vorschein kam, der Leiber des Propheten 
Samuel, des ägyptischen Josef imb des Zacharias Vaters Johannes des Täufers, 
der Reliquien der vierzig Märtyrer von Sebastc, des Propheten Jsaias, des Propheten 
Habakuk, Michas und Zacharias. Auf dem Gebirge Ephraim wurden die Gräber 
des Josua und des Eleazar Sohnes des Aron, auch jene der zwölf Söhne Jakobs 
entdeckt. Die Reliquien wanderten in alle Provinzen des römischen Reiches. In 
den Provinzen ging Ende deß 4. christlichen Jahrhunderts ebenfalls die Entdeckung 
heiliger Leiber vor sich, gewöhnlich infolge einer Erscheinung, die eine christliche Per 
sönlichkeit hatte. Am 19. Juni des Jahres 386 fand der heilige Ambrosius, Erz 
bischof von Mailand, in der Kirche des Nabor und Felix zwei Körper von beson 
derer Größe; ein Traum hatte ihm angekündigt, daß sic Märtyrer des Namens 
Gervasius und Protasius seien und ihm auch die Mittel zur Auffindung derselben 
an die Hand gegeben. Kurz vor seinem Tode fand Ambrosius noch die Reliquien 
des Nazarius und Cclsns, unter seinem Beistände wurden 393 zu Bologna die 
Leiber des Agrikola und Vitalis erhoben. Zur selben Zeit kamen in Agaunum (in 
Wallis in der Schweiz) der h. Maurizins und die Thebäische Legion zum Vorschein. 
Alle diese alten und neuen Heiligen wurden in die Kirchenkalender aufgenommen. 
Mit den Reliquien wurde ein förmlicher Handel getrieben und jede Kirche bewarb sich 
um solche, um der Fürbitte des Heiligen teilhaftig zu werden. Konnte man sie 
nicht in Güte bekommen, so entwendete man sie oder nahm sie mit 
Gewalt; man hielt eine solche Tat nicht für unrecht, sogar für ein verdienstliches 
Werk, wenn die Wundcrwirknngcn eines gestohlenen Leichnams keine Minderung, 
sondern sogar eine Steigerung erfuhren. Wie Bischof Gregor von Tours erzählt, 
ließ der fränkische Königssohn Gundobald im Jahre 585 n. Chr. gewaltsam einen in 
freindem Besitze befindlichen Fingerknochen des heil. Sergius in drei Teile zer 
sprengen, von denen er einen sich aneignete. König Klodwig II. hieb 654 vhnc- 
weiters dem Leibe des heil. Dionysius einen Arm ab. In den Langobardenkriegen 
in Italien flüchteten die Mönche von Monte Casino den Leib des heil. Ordens 
stifters Benedikt in daö französische Kloster Flenry bei Orleans, die Rückübertragung 
wurde jedoch durch Anzeichen verhindert, aus welchen man den Willen des Heiligen,
	        
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