Volltext: Allgemein verständliche Vorlesung über die Legenden vom heil. Florian und vom heil. Maximilian, den Heiligen der Diözese Linz

„Die Geschichte ist die Lehrmeisterin der Völker!" lautet ein bekannter 
alter Ausspruch, der freilich von der Voraussetzung ausgeht, daß das, was als Ge 
schichte ausgegeben und als solche uns in der Jugend vorgetragen wird, alles wirk 
lich geschehen und wahr ist. Leider ist dein nicht so: Unkenntnis der wirklichen 
Verhältnisse, Voreingenommenheit der Geschichtschreiber und Abhängigkeit derselben 
von Gesellschaftskreisen, welche einen Vorteil davon haben, daß die wirklichen Tat 
sachen den breiten Schichten der Menschheit verhüllt bleiben, haben es bewirkt, daß 
wirkliche Tatsachen entstellt oder ganz verschwiegen, unlöbliche Handlungen aber beschö 
nigt wurden; der Ausdruck „zum Gebrauche des Dauphin" (wie vormals der 
Thronfolger in Frankreich genannt wurde), ist zum geflügelten Worte geworden für 
Lehrbücher, in welchen geschichtliche Vorgänge zum nicht anstößigen Vortrage bei 
höher gestellten Persönlichkeiten zugeschnitten wurden. So wurde die Geschichte zu 
einem wahren Augiasställe, in welchem unwahre Vorstellungen die Oberhand hatten 
und von hier aus unter dem Volke verbreitet wurden; natürlich solche unwahre 
Vorstellungen, welche demselben den Glauben beibrachten und in diesem erhielten, 
cs seien die Zustünde der Gegenwart auch jene der Vergangenheit gewesen und nicht 
im Wege der Gewalt, sondern durch göttliche Einsetzung entstanden. 
Ernste Männer der Wissenschaft legten jedoch die Sonde der Kritik an 
die überlieferten Geschichtserzühlungen, die Archive taten sich auf, die Diplomatik, 
d. i. die Kunde alter Schriften, wurde eine eigene Hilfswissenschaft, die Schrift- 
Vergleichung lehrte selbst die Herkunft der Schriften aus bestimmten Kanzleieil lind 
Schreibschulen und- sogar von bestimmten Schreibern kennen. Eine Unmasse von 
Urkunden wurde als Fälschung erkannt, angefertigt zu dem Zwecke, um nicht zn- 
stehcnde Rechte zl> erlangen oder bestehende zu erweitern; Urkundenfälschung war 
im Mittelalter gang und gäbe, so daß sie nicht einmal als sündhaftes Mittel 
angesehen wurde, während sie heutzutage als betrügerische Handlung gebrandmarkt 
und mit strengen Strafen bedroht ist. In deutschen Landen liebte man es beson 
ders, solche Fälschungen aus den Namen Kaiser Karls des Größen und seiner 
nächsten Nachfolger anzufertigen; die angeblich ältesten Dokumente der geistlichen 
Häuser find häufig gefälscht oder wenigstens verfälscht, die bischöfliche Kanzlei in 
Passau, zu welcher Diözese Oberösterreich bis auf Kaiser Josef den Zweiten gehörte, 
>var eine berüchtigte Fülscherfabrik. Auf Tritt und Schritt stößt man bei jeder 
Forschung auf solche bischöfliche Fälschungen und die Entdeckung immer weiterer will 
kein Ende nehmen. 
Die Fülschertätigkeit beschränkte sich aber nicht blos auf die Ausfertigung von 
angeblichen Kökumenten von Kaisern, Königen und angesehenen Persönlichkeiten, 
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