Das nordöstliche Böhmen.
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die spätere Sage Hunde gemacht hat. Das Pferd ist ihm vor
allem heilig. Rübezahl lebt und webt in dem leisen, kühlenden
Lüftchen, wie im Sturme und in den Wettern des Riesengebirges,
er ist der Herr des Sonnenscheines und des Regens, darum flehten
ihn Reisende um ein gutes Wetter an. Mehrere Sagen geben
Rübezahl ein ähnliches Anssehen und eine ähnliche Tracht, wie
dem Wuotan, ingleichen liebt es Rübezahl auch, als Jäger in
seinem Reviere herumzuschweifen, bald zu Fuß, bald zu Roß, bis
weilen auch auf einem Wolfe reitend. Vor allem gleicht er dem
höchsten Gotte als Freund und Beglücker der Menschen, als
Spender von Gaben. Einen erschöpften, todmüden Wanderer
stärkte er aus seiner Jagdflasche und brach ihm wilde Pflaumen
von einem Bäumchen, deren Kerne pures Gold waren. Einer
dürftigen Frau gab er Laub, das sich in Gold verwandelte, einem
Mädchen Hobelspähne, mit denen dieselbe Metamorphose vor sich
gieng. Wie Wuotan seinen Speer verlieh, so tauschte Rübezahl
einem Wandersmanne einen Spieß aus, schenkte armen, ermüdeten
Wanderern einen Stab, aus dem Goldstücke fielen, als er zerbrach.
Rübezahl nimmt ferner die Gestalt eines Raben an, um besser
beobachten zu können, verwandelt sich in einen Wolf, oder in einen
Hund, oder in ein Pferd.
Aus dem Angeführten, womit die Beispiele keineswegs erschöpft
sind, erhellt zur Genüge, daß Rübezahl mindestens ein Widerschein
Wuotans ist, daß in dem Wesen des Berggeistes viele dem höchsten
Gotte der Deutschen eigenthümliche Züge sich finden.
Wuotan genoß, wie erwähnt, bei allen Germanen die höchste
Verehrung, sein Grundcharakter blieb sich gleich in der Vorstellung
aller Stämme, aber dennoch war sein Bild kein ganz fixirtes.
Weder die Poesie noch die Kunst hatte ihm eine genau bestimmte
Gestalt verliehen, die durch die Zustimmung aller Germanen als
die wahre, echte und unveränderliche sanctionirt worden wäre, viele
Züge seines Wesens blieben schwankend und unklar, die Phantasie
der einzelnen Stämme konnte sie frei und willkürlich formen und
gestalten, je nach der Natur, welche die Völkerschaft umgab, nach
ihren ethischen Anschauungen, die dem Wechsel unterlagen.