Volltext: Ueber die innere Entwicklung Oesterreichs in den letzten vier Jahrzehnten

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stem der kleinen nicht gehen wollte. Den 1. Juni 1901 
brachte er die große Investitionsvorlage für 
Eisenbahnen und Wasserstraßen durch und zugleich 
zum erstenmal nach vier Jahren wieder das Budgetprovi— 
sorium. Die Obstruktion schien bezwungen, aber es schien 
nur so. Im Winter nahmen die Czechen die Obstruktlion 
wieder auf und das Abgeordnetenhaus stak nach wie 
vor im Sumpfe. Es bot ein Bild des Jammers. 
Nicht einmal zu einer Reform der Geschäftsordnung konnte 
sich die an Nichtstun gewöhnte Volksvertretung aufraffen. 
So verlor sie in der Bevölkerung jede Sympathie, nur mit 
Unwillen sprach man davon, und ging das Haus auf Fe— 
rien, war man sogar froh. Kein Hahn krähte nach ihm. 
So glitten die Zügel des politischen Lebens vom Haus ins 
Bureau des Ministerpräsidenten und Koerber 
wußte das so auszunützen, daß auch die Ressortminister ihre 
frühere Bedeutung einbüßten — der Ministerpräsident wurde 
zum maßgebenden Zentrum der Reichsregierung. Koerber 
war eine impulsive Natur und wußte zu blenden; eine 
Reihe von Reformen nahm er in Angriff, vollendet wurde 
fast nichts davon. Der „Los von Rom“-Bewegung 
dbieß er freie Bahn. Es erregte daher nicht geringes 
Aufsehen, als der Erzherzog-Thronfolger Franz Ferdi— 
namd am 17. April 1901 aus freien Stuͤcken das Pro— 
tektorat über den Katholischen Schulverein 
für Oesterreich übernahm. WM 
Allmählich wurde Dr. Koerber immer nervöser, in den 
Kassen des Staates gähnte eine bedenkliche Leere, und als 
sich der Budgetausschuß im Dezember 1904 gegen einen Vor— 
schlag des Ministerpräsidenten erklärte, verließ er den 30. De— 
zember 1904 seinen Posten, ohne seine Ministerkollegen zu 
oerständigen. Er ließ sein Kabinett im Stiche und verschwand 
in der Versenkung, hoffentlich auf Nimmerwiedersehen. 
Kaiserminister Gautsch. 
Am Neujahrstag 19056 trat Gautsch, der neue 
Kafserminister, nun zum zweitenmal Ministerpräsident, 
an seine Stelle. Und er hatte Glück; bald errang er infolge 
der Haltung der Magyaren einen glänzenden Erfolg. 
Am Beginne des Jahres 1905 führte der ungarische Minister— 
präsident Graf Tisza Neuwahlen durch. Sie ergaben 
wider alle Erwartung eine völlige Niederlage der liberalen 
Siebenundsechziger Partei und brachten der Unabhängigkeits—
	        
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