Volltext: Ueber die innere Entwicklung Oesterreichs in den letzten vier Jahrzehnten

20 
Die Sprachenverordnungen. 
Drei Tage vorher, 5. April 1897, hatte Badeni die 
Sprachenverordnungen für Böhmen und Mähren 
erlassen. Sie stellten die beiden Landessprachen sowohl im 
äußeren als auch im inneren Dienste einander gleich. Zu— 
gleich wurde angeordnet, daß alle Beamten, die vom 1. Juli 
1901 an eine Stelle erhalten wollten, beider Sprachen in 
Wort und Schrift mächtig sein müßten. Es war die Ver— 
neinung der von den Deutschen erstrebten Zweiteilung Böh— 
mens. Daher betrachteten sie diese Ordonnanzen als Kriegs— 
fall. Im Abgeordnetenhaus griffen die Liberalen zur Ob— 
struktion. Die Christlichsozialen unter Luegers Füh— 
rung sprachen sich, obgleich das nicht populär war, gegen 
die Obstruktion aus; sie waren für soziale Arbeit im 
Parlamente. Der Führer der katholischen Volkspartei aber, 
Baron Dipauli, brachte einen Dringlichkeitsantrag ein, 
der die Einsetzung eines Ausschusses verlangte, um zum 
Zweck der Aufhebung der Sprachenverordnungen Sprachen— 
gesetz-Vorschläge auszuarbeiten; er wurde abgelehnt. Die 
Erregung wuchs; am 13. Oktober 1897 wurden Deutsche und 
Czechen im Abgeordnetenhause handgemein. Dr. Kathrein 
legte die Präsidentschaft des Parlamentes nieder, Dr. Lecher 
hielt seine dreizehnstündige Obstruktionsrede, die Pult— 
deckeln wurden fleißig benützt. Und als am 25. November 
der neue Präsident, der Pole Abrahamovicz, die An— 
nahme des Antrages Falkenhayn verkündete, der dem 
Präsidenten die Vollmacht verlieh, Polizei zu Hilfe zu rufen, 
kam es zu förmlichem Aufruhr, der sich auf die Straße fort— 
pflanzte. Sonntag den 28. November — die Herren werden 
sich noch daran erinnern — drohte die Revohution aus— 
zubrechen. Als Dr. Lueger erklärte, für die Ruhe der Haupt— 
stadt nicht mehr einstehen zu können, war Graf Badeni 
gefallen. Eine eigenartige Fügung! Ein Wort Doktor 
Luegers wurde der unmittelbare Anlaß zum Sturze seines 
polnischen Gegners! 
Die deutsche Gemeinbürgschaft. 
Ende November schlossen die Christlichsozialen mit der 
Deutschen Vereinigung und der Deutschen Volkspartei die 
deutsche Gemeinbürgschaft, den 2. Dezember mußte 
über Prag und Umgebung das Standrecht verhängt 
werden, in der Wiener Universität erscholl am 12. Dezember
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.