Volltext: Ueber die innere Entwicklung Oesterreichs in den letzten vier Jahrzehnten

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eintreten konnte, ward die Koalition gesprengt. Das geschah 
nicht etwa ob der großen Steuerreform, sondern ob des 
Sümmchens für die slowenischen Parallelklassen am Gym— 
nasium zu Cilli. Die Deutschliberalen widerstrebten — 
nicht der Errichtung solcher Klassen an sich — sondern ihrer 
Einrichtung in einem national so bedrohten Orte, wie es 
Cilli sei. Finanzminister Plener vertrat die 1500 fl., die 
der Staatsvoranschlag für Cilli enthielt, seine Partei stimmte 
gegen ihren Führer und das Ministerium gab im Juni 1895 
seine Entlassung. Damals sagte der Kaiser zum Liberalewn 
Chlumecky, die Linke habe ihre Minister von Schmerling 
bis Wurmbrand — den abtretenden Handelsminister — ge— 
stürzt und ihn dadurch am meisten von der Notwendigkeit 
einer nichtparlamentarischen Regierung — also eines Be— 
amtenkabinettes — überzeugt.“ 
Graf Kasimir Badeni. 
Der Statthalter von Galizien, Graf Kasimir Ba— 
deni, galt seit Jahren als der kommende Mann. Nach dem 
kurzlebigen Uebergangsministerium des Grafen Kielmans— 
egg trat er am 29. September 1895 die Regierung an. 
Oesterreich stand nun unter polnischer Wirtschaft: 
Finanzminister war Bilinski, natürlich gab es auch einen 
polnischen Landsmannminister und fast zu gleicher Zeit war 
Graf Goluchowski Minister des Aeußern geworden. Mit 
einer gedrechselten Rede stellte Badeni am 22. Oktober 1895 
sein Ministerium dem Abgeordnetenhause vor. Er machte 
eine Verbeugung vor der „langjährigen, allen anderen Völ— 
kern Oesterreichs voranleuchtenden deutschen Kultur“ und 
opferte den Czechen den Prager Ausnahmszustand und den 
Grafen Thun. Aber der Ruthene Romanczuk er— 
innerte sofort daran, daß Graf Badeni auch seine galizische 
Statthalterschaft mit einer schönen Rede eingeleitet, aber 
durch seine Taten dem Lande keine Freude bereitet habe. 
Anfangs schien freilich alles gut zu gehen. Schon in 
seiner Programmrede hatte er eine Wahlreform ver— 
sprochen; sie wurde bereits am 14. Juni 1896 Gesetz. Es 
fügte den privilegierten Kurien eine fünfte des allgemeinen 
Stimmrechtes hinzu. Sie besaß 72 Volksmandate der min— 
destens 24jährigen Staatsbürger, die sechs Monate in einem 
Wahlbezirke ansässig waren. Dreieinhalb Millionen Wähler 
traten damit ins politische Leben ein. Gegen Ende 1896 wurde 
überdies der Steuerzensus für die Landgemeinden und Städte
	        
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