Volltext: Ueber die innere Entwicklung Oesterreichs in den letzten vier Jahrzehnten

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fort, so daß Graf Thun den 13. September 1893 den 
Ausnahmszustand über Prag und Umgebung verhängte, 
und damit im Zusammenhang begann der Omladina— 
Prozeß gegen eine geheime Verschwörung jugendlicher Ar— 
beiter und Studenten cezechischer Nationalität. 
Taaffes Sturz. 
So trat der Reichsrat im Oktober 1893 in schwüler 
Stimmung zusammen. Auf den Rat Steinbachs glaubte 
Taaffe den Wirren durch Erweiterung des Wahl— 
rechtes ihre Schärfe nehmen zu können. Schon am Tage 
der Eröffnung, dem 10. Oktober 1893, ward dem Abge— 
ordnetenhause ein Gesetzentwurf vorgelegt, der in der Stadt— 
und Landgemeindenkurie das Privilegienwahlrecht abschaffte 
und jedem 24jährigen Staatsbürger das Wahlrecht zusprach, 
wenn er des Lesens und Schreibens kundig war, seiner 
Stellungspflicht Genüge geleistet hatte und sechs Monate 
an dem Orte wohnte, ferner eine ständige Beschäftigung 
hatte oder eine direkte Steuer entrichtete. Unbeschreiblich 
war die Verblüffung der großen Parteien. Polen, Deutsch— 
liberale und die um Hohenwarth taten sich zusammen und 
Graf Taaffe stürzte. Krank und verdrossen schied er nach 
bierzehnjähriger Ministerpräsidentschaft. Nie mehr wurde er 
vom Kaiser um Rat gefragt. 
Eine Koalition. 
Die Gegner der Taaffeschen Wahlreform schlossen eine 
Koalition zum Schutze des Privilegienparlamentes. Das 
Ministerium Windischgrätz mit dem Finanzminister 
Plener und dem polnischen Landsmannminister Ja— 
worski trat die Regierung an. Allein auch sie konnte sich 
auf die Dauer der Einsicht nicht mehr verschließen, daß die 
Zeit zur Erweiterung des Wahlrechtes gekommen war, und 
so legte sie im März 1894 die Grundzüge einer Wahl— 
reform vor. An den bestehenden Kurien sollte nichts ge— 
ändert, aber eine neue Wählerklasse mit 48 Mandaten ge— 
schaffen werden für die, welche eine Mittelschule oder eine 
gewerbliche Unterrichtsanstalt absolviert oder das Einjährig— 
Freiwilligenrecht erlangt, zwei Jahre landesfürstliche direkte 
Steuer gezahlt oder ebenso lang einer Krankenkasse angehört 
hatten. Verschiedene Erweiterungsanträge wurden gestellt; 
allein ehe der Wahlreformausschuß in die Spezialdebatte
	        
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