Volltext: Ueber die innere Entwicklung Oesterreichs in den letzten vier Jahrzehnten

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Fortschritt der christlichen Organisation. 
Im Sommer 18885 folgten die Neuwahlen für den 
Reichsrat, zum erstenmal auf Grund des neuen Wahlgesetzes 
der Appell an breitere Schichten des Volkes. Die christliche 
und soziale Richtung errangen bedeutende Erfolge. Dr. Karl 
Lueger zog zum erstenmal ins Parlament ein, Dr. Herbst 
aber fiel in seinem langjährigen Wahlbezirke Schluckenau, 
erlitt dann in Prachatitz eine zweite Niederlage und flüchtete 
sich schließlich in den ersten Wiener Bezirk. Durch Nationa— 
lismus und Antisemitismus zerbröckelte die liberale Linke. 
Schon 1880 war das Linzer Programmader Deut sch— 
nationalen unter Mitwirkung Viktor Adlers und 
Eungelbert Pernerstorfers zustande gekommen; es 
forderte die Lostrennung Galiziens und Dalmatiens und 
engeren Anschluß der Alpen- und Sudetenländer an das 
Deutsche Reich. Schönerer freilich brachte sich durch seine 
Maßlosigkeit bald um seinen Einfluß, zumal als er 1888 
wegen Hausfriedensbruches in der Redaktion des „Neuen 
Wiener Tagblattes“ verurteilt worden war.“ 
Hingegen scharten sich die Fünfguldenmänner Wiens 
um die Fahne des christlichen Sozialismus und katholisches 
Leben begann sich zu regen. Noch im Juni 1885 legte Doktor 
Kaspar Schwarz, ein Sohn Oberösterreichs, in Wien 
den Grund zum Katholischen Schulvereinz; er trat 
1886 ins Leben und wirkt seitdem so segensreich! 1887 
wurde der erste christlichsoziale Verein gegründet 
und 1888 schloß sich die Partei der vereinigten 
Ehristen zusammen. Bald war Lueger, der Meister in 
Beherrschung der Massen, ihr anerkannter Führer. Dar⸗ 
über wuürde aber der Sozialpolitik nicht vergessen. Als 
Prinz Alois Liechtenstein, im März 1886 den Bericht 
uͤber“die Unfallversicherung erstattete, legte er, der Sproß 
eines souveränen Fürstenhauses, dar, er hätte gewünscht, 
daß die sozialen Reformen mit der Beseitigung unzeitgemäßer 
Privilegien des Adels und Großgrundbesitzes begonnen und 
mit einer vernünftigen Steuergesetzgebung beendet worden 
wären.) So sprach der damalige Führer unserer katho— 
lischen Abgeordneten! Das Unfallversicherungsgesetz trat im 
Dezember 1887, das Krankenkassengesetz ein Vierteljahr 
später in Kraft. Liechtenstein verlangte auch ernstlich In— 
validitäts-, Witwen- und Waisenversorgung für die Arbeiter. 
Das waren ihre wahren Freunde! 
Charmatz, II. 157.
	        
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