Volltext: Ueber die innere Entwicklung Oesterreichs in den letzten vier Jahrzehnten

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und den Grundsatz aufstellte, daß der Leiter der Schule dem 
Religionsbekenntnis der Mehrheit der Schüler angehören muß. 
Rudigiers letzte Tage. 
In demselben Jahre 1883 wurden, auch dem Bischof 
Rudigier die Güter Gleink und Garsten zurück— 
gestellt, aber in denselben Tagen widerfuhr ihm auch 
schweres Leid. Lehrer Rohrweck. in Leonfelden hatte vor 
wölfjährigen Kindern Luther auf Kosten der katholischen 
Kirche verherrlicht und auch sonst Geschichtsbilder in re— 
ligionsfeindlichem Sinne entworfen. Der Bischof als oberster 
Wächter des Glaubens im Lande wehrte sich pflichtgemäß 
dagegen und wurde darob bis zu seinem Tode hart ange— 
feindet. Der katholischen Organisation aber erwuchs um 
dieselbe Zeit im oberösterreichischen Bauern— 
perein unter Führung Kirchmayrs und des „Linzer Sonn— 
tagsblattes“ ein nicht zu unterschätzender Gegner, der jedoch 
durch die stramme Haltung des Volksvereines und des 
„Linzer Volksblatt“ überwunden wurde. — 
Dem Bischof wurde einige Monate vor seinem Tode 
noch eine große Genugtuung zuteil. Am 19. August 1884 
sprach sein Kaiser in Steyr zu ihm die berühmt gewor— 
denen Worte: „Ich gratuliere Jhnen zu Ihrem 
Klerus, der ebenso durch gute Disziphin wie 
durch seine politische patriotische Haltung sich 
auszeichnet.“ 
Es war gerade vor den Landtagswahlen, die für 
Ende August und Anfang September ausgeschrieben waren, 
die letzten zu Rudigiers Lebzeiten. Der Erfolg war glän⸗ 
zend: Die zwanzig Abgeordneten der Landgemeinden waren 
sämtlich katholisch-konservativ, in den Städten und Indu— 
strialorten errangen die Katholiken drei Mandate, der Groß— 
grundbesitz wählte einstimmig zehn Konservative; denn nach 
langem Kampfe war endlich den geistlichen Pfründenbesitzern 
das Wahlrecht in dieser Kurie zuerkannt worden. Es war 
also ein Landtag mit katholischer Mehrheit zu— 
stande gekommen und so istes bis heute geblieben. 
Der große Bischof erlebte diese Freude noch. In der De— 
batle 'über die Schulaufsicht sprach er zum letztenmal und 
nun fand er Verständnis bei der Mehrheit. Es war das 
herrliche Abendrot seines schönen Lebens. Am 29. No— 
hember 1884 ging er hinüber in die Ewigkeit. „Was ver—⸗ 
gangen, kehrt nicht wieder, aber ging es leuchtend nieder, 
leuchtet's lange noch zurück.“
	        
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