Volltext: Der religiöse Zweifel

4 
und nach beut letzten Porte dieses herrlichen Gebetes: „Ans dich, o Herr, habe ich ver 
trant, Ich werde nicht zu schänden werden in Ewigkeit —", legte er sein Haupt ans 
den Henkerblock. H 
Wer wird es wagen, diesen'zwei Männern die innere Gewißheit und Ueber 
zeugung von der Wahrheit der Religion abzusprechen? Das sind nur zwei aus der Heer 
schar der Blutzeugen der katholischen Kirche in allen Jahrhunderten, Millionen und 
Millionen Katholiken jedes Alters, Geschlechtes und Standes haben für dieselbe reli 
giöse Ueberzeugung, wenn auch nicht mit ihrem Bülte, so doch mit ihren: offenen Be 
kenntnisse ilnd mit einem streng nach den Grundsätzen dieses Glaubens eingerichteten 
Leben Zeugnis abgelegt. Was hätten sie für ein Interesse, eine Ueberzeugung zu heu 
cheln, die ihnen nur Opfer und Entsagung auferlegt und meist alles mehr als Ehre und 
Vorteil einbringt? llnb Hunderttausende von Priestern, von Ordensmännern und 
Missionären und Klosterfrauen, die ein einsames und entsagungsvolles Leben frei 
willig aus religiösem Idealismus erwählen, unter Verzicht auf Familienfreuden und 
Lebensgenuß und irdischen Besitz, um dafür oft genug Spott und Verfolgung einzu 
tauschen, sie hätten alle keine innere, persönliche Ueberzeugung und Sicherheit von der 
Wahrheit jener religiösen Lehre, der dieses Ideal entstammt? Nein, Verehrteste! Das 
diirfen Sie mir glauben: an dem Tag, an dein ich die innere Gewißheit meiner reli 
giösen Ueberzeugung verliere, werfe ich dieses Kleid weg, um dessentwillen man mich 
heute auf der Straße anspuckt und das mich auf, Schritt und Tritt beengt in: Genusse 
dieses Erdenlebens! — Man halte uns katholische Priester meinetwegen für Narren und 
Schwärmer, aber man spreche uns nicht schlechthin die innere Ueberzeugung ab von 
dem, wofür wir leben und arbeiten und dulden und mit Gottes Gnade, wenn's sein 
muß, auch sterben wollen. 
Grundlagen der religiösen Gewißheit. 
Auch der Ungläubigste, der die Naturgeschichte der Menschenseele ehrlich studiert, 
kann nicht leugnen, daß es religiöse Gewißheit in weiten Kreisen der Menschheit zu 
allen Zeiten gegeben hat und auch heute noch gibt. Es sind beileibe nicht alle Menschen 
ungläubig oder Zweifler am Glauben, auch heute nicht. Die Frage ist nur: wie sind , 
diese, die religiös Sicheren, zu ihrer inneren Gewißheit gekommen? Worauf gründet 
sich ihre Gewißheit? 
So viel ist klar: Die Antwort auf diese Frage müssen wir uns von solchen geben 
lassen, die selbst diese religiöse Gewißheit erleben; nicht von Ungläubigen oder Zweiflern, 
denen dieses innere Erlebnis mangelt. Und eben darum muß ich mich hier auf eine 
bestimmte Form dieser religiösen Ueberzeugung beschränken, die nur die katholische 
sein kann, weil ich zu Katholiken spreche und selbst eine andere religiöse Ueberzeugung 
in mir nicht erlebt habe. Die einen anderen Glaubensbegriff haben, mögen ihn selbst 
verantworten vor dem Richterstühl der Vernunft, wenn sie es können! 
Welche Antwort gibt also der glaubensüberzeugte Katholik auf die Frage nach 
dein Grunde seiner religiösen Gewißheit? — Die Antwort seines Katechismus: Ich halte 
an diesen Wahrheiten fest, weil sie von Gott geoffenbart, das heißt, uns Menschen mit 
geteilt worden sind; von Gott, der nicht irren und uns nicht irreführen kann. Also nicht, 
weil ich erfahren habe, daß sie wahr sind, ober weil ich sie-einsehe, oder weil sie mir be 
wiesen wurden, oder weil sie mir gefallen oder nützen, sondern weil mir Gottes Wahr 
haftigkeit für ihre Richtigkeit Bürgschaft leistet. Ist das eine Begründung, die einem 
vernünftig denkenden Menschen genügen kann und genügen muß, um seine Sicherheit 
von der Wahrheit dieser Sätze und Lehre zu rechtfertigen? Zweifellos, woferne nur 
die Voraussetzung zutrifft: daß diese Lehren wirklich von Gott bezeugt sind. Dann 
kann ich vernünftigerweise ihre Nichtigkeit nicht in Frage stellen. Dann habe ich Ge 
wißheit, daß sie wahr sind; freilich nicht innere Einsicht in den Wahrheitsgrund, aber beu 
sicheren Besitz der Wahrheit: die Gewißheit des Glaubens. 
Oder ist das nicht durchaus vernünftig? Jeder vernünftige Mensch nimmt ohne 
Bedenken viele Dinge als wahrzund sicher hin, die wr nicht selbst gesehen und erfahren 
3) Spillnuimi, er. (T. 0. S. 13g bis 137.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.