Volltext: Die Gründungsurkunden des Zisterzienserklosters Wilhering

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Erich Trinks, 
Den ersten Eindruck, den die Urkunde bezüglich ihres recht¬ 
lichen Gehaltes macht, hat schon im 14. Jahrhundert der Verfasser 
des Kopialbuches wesentlich richtig gekennzeichnet, wenn er die 
Urkunde überschrieben hat: „manifestado abbatis de Runa de 
modo et forma fundationis nostri monasterii".17) Scheinbar be¬ 
urkundet der Abt nichts anderes als eine Reihe bereits vollzogener 
Rechtshandlungen, nämlich den Entschluß der Gründerfamilie zur 
Stiftung eines Klosters, die Restimmung und Übergabe des Dotations¬ 
gutes an die berufenen Mönche von Reun sowie die Übergabe und 
Übernahme der Stiftung in den Schutz des Rischofes von Ramberg; 
der Urkunde würde also kein dispositiver Charakter inne¬ 
wohnen, sie würde lediglich vollzogene Rechtshandlungen durch 
das authentische Siegel18) des Abtes beweisen. 
Diese Aufgabe hat die Urkunde unzweifelhaft auch hinsichtlich 
der Gründungsvorgänge gehabt. Aber wenn die Corroboratio mit 
„ut ergo facti huius Veritas . . beginnt und die Zeugen angekündigt 
werden als „testes asciti in utriusque dati confirmatione", so zeigt 
dies den Rezug auf ein ganz bestimmtes zweiseitiges Rechtsgeschäft 
an. Ein solches war die Kommendierung des Klosters und des 
Töchterchens des Stifters Cholo an den Rischof von Ramberg. So 
hat die Urkunde auch speziell dieses Geschäft beglaubigt. Ein Ge¬ 
schäft dieser Art bedarf wenigstens theoretisch zweier Urkunden, 
eine des sich Kommendierenden für den Schutzherren und eine des 
letzteren für den in den Schutz Aufgenommenen. Durch die Re- 
gebung dieser beiden Urkunden wird die Kommendierung voll¬ 
zogen. Da nun die Urkunde des Abtes Gerlaus ohne Zweifel für 
Wilhering bestimmt war, so hat sie an Stelle einer Urkunde des 
Rischofes die Übernahme in dessen Schutz beurkundet. Ihr wohnt 
daher auch eine dispositive Eigenschaft inne. 
Endlich war damals Gerlaus noch Abt von Wilhering. Indem 
er also auch der Empfänger der Urkunde war, ist sie auch ein ein¬ 
seitig von diesem aufgezeichneter Akt, dessen Rechtskraft nach dem 
deutschen Recht auf Zeugenbeweis beruhte19). 
Der Schwierigkeit, diese hier ineinandergreifenden Rechtsver¬ 
hältnisse in der Urkunde zum Ausdruck zu bringen, war ihr Ver¬ 
fasser nicht gewachsen. So wählte er die ihm geläufige und zugleich 
die einfachste Form der Erzählung der einfachen Aktaufzeichnung, 
wobei ihm in der Fassung der Schlußformeln Andeutungen ihres 
dispositiven Charakters einflössen. Diese Unbeholfenheit, die voll¬ 
ziehende Kraft zum Ausdruck zu bringen, das Durchdringen des 
*7) Grillnberger, Anfänge S. 4. 
!8) O. Redlich, Lehre von den Privaturkunden (1911) S. 111. 
19) Ebenda S. 72.
	        
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