Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Zweiter Theil] (8,2 / 1901)

Die Wissenschaft vom subjectiven Geist. Anthropologie. 
645 
Siebenundzwanzigstes Capitel. 
Die Wissenschaft vom subjectiven Geist. A. Anthropologie. 
I. Die natürliche Seele. 
1. Die natürlichen Qualitäten. 
Alle geistige Entwicklung besteht darin, daß der Geist sich zu dem 
macht, was er an sich ist, oder, was dasselbe heißt, daß er sür sich ist 
und für sich wird, was er zunächst nur an sich und (nicht für sich, 
sondern) nur für uns ist. Diese Formel hat in der „Phänomenologie 
des Geistes" den Gang des Bewußtseins von Anfang bis zu Ende 
beherrscht und geleitet, Hegel hat sie nicht oft und nachdrücklich genug 
wiederholen können und auch an die Spitze der Entwicklung des sub 
jectiven Geistes gestellt. Der Geist (Seele) hat den Charakter des 
Fürsichseins, der Individualität, der Einzelnheit, weshalb nicht von 
einem Allgeist oder einer Weltseele zu reden ist, deren unselbständigen 
Theile oder Ausflüsse die Einzelseelen sein sollen. 
Der Geist in seiner Leiblichkeit ist Seele, er ist als dieses natür 
liche Individuum, das eine Reihe natürlicher Beschaffenheiten oder 
Naturbestimmtheiten an sich trägt, natürliche Seele, welche die Be 
stimmung hat, in ihren angeborenen und vorgefundenen Natursphären ihre 
Gegenwart, d. h. ihr Fürsichsein zu bethätigen. Diese Bestimmung 
ist erreicht, sobald die Seele ihre Naturbestimmtheiten nicht bloß findet 
und hat, sondern sich darin bestimmt findet oder empfindet. 
Nun giebt es der natürlichen Beschaffenheit viele und verschiedene, 
auch solche, die als eine Zeitfolge verschiedener Zustände, d. h. als 
natürliche Deränderungen des Individuums auftreten, auch als 
Gegensätze sowohl innerhalb derselben Gattung als innerhalb desselben 
Individuums. Die Naturbestimmtheiten der Seele ordnen und gliedern 
sich wie die Momente des Begriffs, von den allgemeinsten Bestimmungen 
durch die Besonderheiten bis in die Einzelnheit und deren unsagbare 
Eigenheiten, die jeder Definition spotten. 
Die natürliche Seele, das menschliche Individuum ist Glied der 
Welt, Glied der Menschheit, der Menschengattungen und ihrer Besonder 
heiten: diese Gattungen oder Arten sind die Racen, diese Besonder 
heiten die Völkerfamilien und Völker. Endlich ist das Individuum es 
selbst vermöge der ihm eigenen Naturbestimmtheit: diese ist Naturell,
	        
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