Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Zweiter Theil] (8,2 / 1901)

1154 Charakteristik und Kritik der hegelschen Philosophie. 
nur nicht Hegel, der das Gegentheil war. Eines der ersten und vor- 
nehmlichsten Kennzeichen dieser Restaurationsepoche war die Wieder 
herstellung des Ordens der Jesuiten unter und durch Pius VII. 
(1814), wodurch die Idee der ultramontanen Weltherrschaft sich von 
.neuem erhob und den Krieg wider die Freiheitsideen des neunzehnten 
Jahrhunderts unternahm. Eine Wirkung der ultramontanen Einflüsse 
waren die Ordonnanzen König Karls X. von Frankreich, welche die 
Julirevolution und den endgültigen Sturz der Bourbonen zur un 
mittelbaren Folge hatten. Nun hat man Hegel einen Feind der 
Julirevolution genannt und darum im verwerflichsten, aber auch un 
richtigsten Sinne als den Philosophen der Restauration bezeichnet. 
Im Hinblick auf die Julirevolution sagt R. Haym: „Ein panischer 
Schrecken ergriff die Congreßpolitiker, ein Mißbehagen ohne Grenzen 
bemächtigte sich auch des Philosophen der Restauration"? Ich weiß 
nicht, aus welche private oder vertrauliche, nur ihm bekannte Aeußerungen 
Hegels sich jene Worte Hayms stützen; es ließe sich recht wohl er 
klären, daß der sechzigjährige, mitten in der einflußreichsten, der tiefsten 
Ruhe bedürftigen Wirksamkeit befindliche Mann die plötzlichen und 
ungeheuren politischen Erschütterungen, welche die Julirevolution her 
vorrief, als recht unbehaglich und unbequem empfunden hat. Ob 
dieses Mißbehagen „ohne Grenzen" war, lasse ich dahingestellt und halte 
es für rhetorische Zugabe. Urkundlich und öffentlich hat Hegel die 
französische Restauration „eine fünfzehnjährige Farce" genannt. In 
der Julirevolution 1830 ist diese Farce zu Ende gegangen. Endlich 
nach vierzig Jahren von Kriegen und unermeßlicher Verwirrung könnte 
ein altes Herz sich freuen, ein Ende derselben und eine Befriedigung 
eintreten zu sehend 
Noch unkundiger und verfehlter würde es sein, wenn man mit 
Haym den vielberufenen Satz Hegels aus der Vorrede zu seiner Rechts 
philosophie, „was wirklich ist, das ist vernünftig, und was vernünftig 
ist, das ist wirklich" für eine ultraconservative Rechtfertigung des 
Bestehenden, wie es auch sei, halten wollte, da doch der Unterschied 
zwischen dem bloß Bestehenden und dem wahrhaft Wirklichen zu den 
Busenwahrheiten der hegelschen Logik gehört, und die Vernunft als 
* R. Hahm: Hegel und seine Zeit. Vorlesungen über Entstehung und Ent 
wicklung, Wesen und Werth der hegelschen Philosophie. (Berlin 1857.) Vor 
lesung XVIII. S. 455. - * Hegel. Werke. IX. S. 540 flgd. Vgl. dieses Werk. 
Buch II. Cap. XXXVII. S. 808.
	        
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