Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Zweiter Theil] (8,2 / 1901)

Die griechisch-römische und die alexandrinische Philosophie. 1091 
telligible Welt nicht unmittelbar auf das Eine absolute Sein folgt 
und aus ihm hervorgeht, sondern ein zweites göttliches Wesen (das 
Leben) dazwischentritt. Auf diese Weise verschafft sich das System 
des Proklus die Möglichkeit, überall Zwischen- und Mittelwesen ein 
zuschieben, auf daß, wie wir sagen möchten, das Haus voll werde, 
kein Platz und Plätzchen unbesetzt bleibe. Die Bevölkerung dieses 
Hauses, welches Proklus in seinem System erbaut hat, ist die ganze 
heidnische GötterweltZ 
Nach dem Tode des Proklus hat die platonische Schule zu Athen 
noch 44 Jahre fortbestanden, bis der oströmische Kaiser Justinian im 
Jahre 529 nach Chr. allen heidnischen Philosophenschulen ein Ende 
machte. Der letzte Scholarch der platonischen Schule war Damascius. 
Unter den vertriebenen Philosophen, die zunächst nach Persien zum 
Könige Kosroes auswanderten, war Simplicius, der große Commen- 
tator des Aristoteles. Es war kein vorzeitiges Ende, denn die griechische 
Philosophie war auch innerlich vollkommen ausgelebt und erschöpft, 
nachdem ihre Entwicklung von Thales bis Damascius (550 vor bis 
529 nach Chr.) mehr als ein Jahrtausend erfüllt hatte; die platonische 
Schule in Athen von Plato bis Damascius hatte über neun Jahr 
hunderte gedauert (387 vor Chr. bis 529 nach Chr.). 
Hegel blickte auf die neuplatonische Philosophie und auf Proklus, 
in welchem sie ihre Spitze und Vollendung erreicht hatte, mit dem 
Gefühl der Bewunderung und einer tiefen Geistesverwandtschaft. Anch 
sein System hatte zum durchgängigen Thema das Absolute in seiner 
triadischen Entwicklung; auch er verhält sich zum Christenthum 
und zur christlichen Religion, wie Proklus zum Hellenenthum und zur 
heidnischen Religion, freilich ohne alle die Gebundenheiten, welche den 
Neuplatoniker kennzeichnen. Nachdem er die neuplatonische Philosophie 
vorgetragen hat, wendet er sich in einer Parabase, wie sie in seinen 
Vorlesungen nur an dieser Stelle vorkommt, an seine Zuhörer mit 
folgenden ausdrucksvollen und ekstatisch bewegten Worten: „Dieser 
Standpunkt der Neuplatoniker ist also nicht so ein Einfall der Philo 
sophie, sondern ein Ruck des Menschengeistes, der Welt, des Weltgcistes. 
Die Offenbarung Gottes ist ihm nicht als von einem Fremden ge 
schehen. Was wir so trocken, abstract hier betrachten, ist concret. 
«Solches Zeug», sagt man, «das wir betrachten, wenn wir so in 
- Ebendas. S. 60-79. 
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