Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Zweiter Theil] (8,2 / 1901)

Von Thales bis Anaxagoras. Von Anaxagoras bis Plato. 1041 
erkannt und gewürdigt hat. Daher ist die Stelle, an welcher wir 
stehen, eine der bemerkenswerthesten seiner Geschichte der Philosophie. 
Das Zeitalter der Sophisten war der peloponnesische Krieg, in 
welchem nicht bloß Athen von Sparta besiegt wurde, sondern Griechen 
land als welthistorische Macht sich zu Grunde gerichtet hat. Gewöhn 
lich sieht man an den Sophisten nur die Kehrseite, welche Plato vor 
Augen hatte, nämlich die Nichtigkeit und Frivolität ihrer Denkart: 
die aber heißt ihre Bedeutung verkennen. 
Unter den subjectiven Zwecken, die bei den Sophisten alles gelten, 
ist der wichtigste die Macht über die Menschen, und da die mächtigsten 
Triebfedern die menschlichen Affecte und Leidenschaften sind, welche 
durch die Macht der Beredtsamkeit am erfolgreichsten gelenkt und be 
herrscht werden, so mußte ein Hauptzweig des sophistischen Unterrichts 
in der Redekunst bestehen, namentlich in der perikleischen Zeit des 
demokratischen Athens. Dies ist die Kunst, in welcher Hippokrates, 
von Sokrates geleitet, den Unterricht des Protagoras begehrt, als 
dieser hochberühmte Sophist am Anfang des peloponnesischen Krieges 
nach Athen gekommen war und in der Mitte seiner Bewunderer jene 
beiden empfängt. Plato hat die Scene in seinem „Protagoras" höchst 
lebensvoll geschildert. Protagoras verspricht, die politische Tugend zu 
lehren, und beginnt mit jenem „unendlich merkwürdigen Mythus" 
vom Epimetheus und Prometheus. 
Gegen Ende des peloponnesischen Krieges kam Protagoras wieder 
nach Athen und las hier seine Schrift über die Götter vor, welche mit 
der Erklärung begann, daß man von den Göttern weder wissen könne, 
daß sie sind, noch daß sie nicht sind. Das war der Ausdruck des 
atheistisch verstandenen Zweifels, weshalb er angeklagt, verurtheilt und 
verbannt wurde. Auf der Ueberfahrt nach Sicilien ist er ertrunken. 
Als die drei berühmtesten Sophisten nennt Hegel den Prota 
goras von Abdera, den Gorgias von Leontium in Sicilien und 
den Prodikus von Keos, der die Fabel von Herkules am Scheide 
wege erfunden hat und ein Lehrer des Sokrates war. 
Die Summe der Lehre des Protagoras liegt in dem Satz, daß 
der Mensch das Maaß aller Dinge ist. Versteht man unter 
„Mensch" die selbstbewußte Vernunft, so ist dieser Satz das Princip 
aller folgenden und aller echten Philosophie. Versteht man darunter 
das Individuum oder das empirische Subject, so ist der Satz das 
Princip der Sophistik. Nichts ist absolut oder an und für sich gültig, 
Fischer, Gesch. d. Philos. VIII. N. A. 86
	        
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