Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Zweiter Theil] (8,2 / 1901)

Von Thales bis Anaxagoras. Von Anaxagoras bis Plato. 1029 
lehrt, welche die mannichfaltigen Thierleiber während dreier Jahr 
tausende zu durchlaufen habe, bis sie in einen Menschenleib zurück 
kehrt. Die Metempsychose ist eine ungriechische, orientalisch^, namentlich 
indische und ägyptische Dorstellungsweise, aus welcher letzteren Pytha 
goras die seinige geschöpft habe. Aristoteles hat diese Vorstellung, 
nach welcher jede beliebige Seele in jeden beliebigen Körper wandern 
könne, als „pythagoreische Mythen" behandelt und vollkommen widerlegt. 
Was endlich die praktische Philosophie betrifft, so soll nach 
Aristoteles Pythagoras der erste gewesen sein, der nicht bloß aphoristisch 
von der Tugend geredet, sondern eine Tugendlehre habe begründen 
und durch die Zahlenlehre habe bestimmen wollen, wozu mau auch 
„die goldenen Worte" rechnet, die ihm mit Unrecht zugeschrieben werden. 
Die Hauptsache ist, daß Pythagoras die Sittlichkeit substantiell, d. h. 
so gefaßt habe, daß der Geist eines Volks und Staats die lebendige 
Gesinnung jedes einzelnen sei. Dies entspricht ganz dem Charakter 
des pythagoreischen Bundes. Auf die Frage nach der besten Erziehung 
habe Pythagoras geantwortet, daß man als Bürger eines wohl regierten 
Staates am besten erzogen werde. „Dies ist eine große wahrhafte 
Antwort; diesem großen Principe, im Geiste seines Volkes zu leben, 
sind alle andern Umstände untergeordnet." 
Am Schluß gedenkt Hegel noch des berühmten pythagoreischen 
Lehrsatzes vom rechtwinkligen Dreieck, ohne im Zusammenhange der 
Philosophie des Pythagoras die Stelle zu bezeichnen, woher dieser 
Satz nach Ursprung und Bedeutung stammt. Aus Freude über seine 
Entdeckung habe Pythagoras eine Hekatombe geschlachtet und ein großes 
Fest gegeben: „eine Feier geistiger Erkenntniß — auf Kosten der 
Ochsen".* 
3. Die eleatische Schule. 
Das Thema der ionischen Naturphilosophie war der Grundstoff, 
das der Pythagorecr war der Grundstoff und die Grundform, also 
1 Ebendas. S. 243—259. S. 258. — Später hat Börne gesagt: „Seitdem 
brüllen alle Ochsen, wenn eine neue Wahrheit entdeckt wird". 
Es gereicht der hegelschen Darstellung des „Pythagoras und der Pytha- 
goreer" zum Mangel und zum Vorwurf, daß der Name des Philolaos so gut 
wie gar nicht genannt worden und das für die Erkenntniß der pythagoreischen 
Lehre epochemachende Werk von Aug. Boeckh, der sämmtliche Bruchstücke des Philo 
laos herausgegeben und erklärt Hai: „Entwicklung der Lehren des Pythagoreers 
Philolaos" (1819) ganz unerwähnt und unbenutzt geblieben ist. Das Werk er 
schien, als Hegel eben nach Berlin gekommen war.
	        
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