Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Zweiter Theil] (8,2 / 1901)

Die bestimmte Religion. 
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schon in Senecas Tragödien als solche zu Tage tritt. „Sterben ist 
so die einzige Tugend, die der edle Römer ausüben konnte, und diese 
theilt er mit Sclaven und zum Tode verurtheilten Verbrechern." 
Die Einheit der Weltherrschaft strebt nach der Einheit der Person 
und verwirklicht sich zuletzt in diesem einzelnen Individuum, dem 
Kaiser als dem Herrn der Welt. Er ist die gegenwärtige Macht 
aller römischen Zwecke der Wohlfahrt und des Glücks. „Dieses un 
geheure Individuum" ist die rechtlose Macht über das Leben und Glück 
der Individuen, der Städte und Staaten, alles liegt in seiner Hand, 
alles macht er: Stand, Geburt, Reichthum, Adel u. s. f. Selbst über 
das formelle Recht, auf dessen Ausbildung der römische Geist so viel 
Kraft verwendet hatte, war er die Obergewalt." Nunmehr ist er der 
römische Gott. 
Was in der griechischen Religion als die höchste Einheit vor 
gestellt wurde, das alles gleichmachende und nivellirende Schicksal ist 
zur Wirklichkeit und zum Weltzustande geworden: dieses Fatum aller 
Völker und Religionen ist die römische Weltherrschaft, verkörpert 
in dem Weltherrscher als dem Herrn der Welt, in diesem einzelnen 
wirklichen Menschen, den man sozusagen mit Haut und Haaren 
vergöttert: dieser einzelne wirkliche Mensch in seiner unmittelbaren 
und schlechten Endlichkeit ist zugleich das Höchste und das Schlechteste. 
„Der Despot ist Einer, dieser wirkliche, gegenwärtige Gott, die 
Einzelnheit des Willens als Macht über die übrigen unendlich 
vielen Einzelnheiten." Alle Unterschiede der Völker und Religionen, 
der Vornehmen und Geringen, der Reichen und Armen, der Freien 
und Sclaven sind aufgehoben und vor der Allmacht des Kaisers in 
sich nichtig. Was übrig bleibt, sind nur noch die Menschen und 
der Eine als der Gott aller Menschen, dieser Gott ist ein einzelner 
wirklicher Mensch, aber es ist der Mensch nicht in seiner Wahrheit, 
sondern in seiner Unwahrheit. 
Daß alle Zwecke der Welt auf einen Haupt- und Endzweck be 
zogen, diesem einen Haupt- und Endzwecke untergeordnet werden, 
welcher der römische Staat, das römische Weltreich, der Weltherrscher, 
zuletzt dieser einzelne wirkliche vergötterte Mensch ist: darin besteht 
„die unendliche Wichtigkeit und Nothwendigkeit der römischen Religion". 
Diese Religion der Zweckmäßigkeit, der römische Geist als das Fatum 
der Völker und Religionen hat das Glück und die Heiterkeit des 
schönen Lebens und Bewußtseins der vorhergehenden Religionen Ver- 
Fisch er, Gesch. d. Philos. VIII. N. A. 68
	        
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