Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Zweiter Theil] (8,2 / 1901)

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Die Philosophie der Religion. 
Poesie des Lebens." „Im griechischen Leben ist die Poesie, die 
denkende Phantasie selbst der wesentliche Gottesdienst." * 
Es giebt im Gegensatze zu dem öffentlichen Cultus, der über das 
ganze Leben ausgebreitet ist, auch einen geheimen, der in geheimniß 
vollen Handlungen und Weihen besteht und in den sogenannten 
Mysterien gefeiert wird, vor allen in den eleusinischen. Da diese 
Mysterien allen Athenern zugänglich waren, so bestand das Geheimniß 
nicht in der Verborgenheit des Wissens, sondern nur in der Art der 
Behandlung und in der Natur der Gottheiten. Es handelt sich hier 
um die Reinigungen der Seele in Absicht auf ihre Fortdauer nach 
dem Tode, ihr Schattenleben in der Unterwelt, also um „die Unsterb 
lichkeit der Seele", um den „Uebergang des Einzelnen als natürlich 
gestorbenen in ein ewiges Leben". Dies hängt mit den Vorstellungen 
von dem allgemeinen Naturleben zusammen, vom Samenkorn, das aus 
betn Schooß der Erde emporsprießt, um sich zur Blüthe und Frucht zu 
entfalten und als Samenkorn wieder in den Schooß der Erde zurück 
zukehren, oder, mythisch ausgedrückt, vom Raube der Proserpina, von 
der Ceres, welche die Tochter sucht, von Bacchus als dem Gotte der 
Unterwelt u. s. f. Daher führen die Mysterien zurück zur Naturreligion, 
zu den alten und symbolischen Culten der Naturgottheiten, welche, ver 
glichen mit dem fortgeschrittenen und offenen Cultus der griechischen 
Kunstreligion, veraltet sind und darum verborgen. Indessen ist das 
Leben nach dem Tode, die Unsterblichkeit der Seele, das ewige Leben 
selbst ein großes Mysterium, welches nicht bloß nach rückwärts blickt, 
sondern auch nach vorwärts. ^ 
4. Die römische Religion. Die Religion der Zweckmäßigkeit. ^ 
Das Grundthema der jüdischen Religion war die Einheit Gottes: 
der Eine als Inhalt und Zweck der Religion; das Grundthema 
der griechischen Religion sind die besonderen sittlichen und geistigen 
Mächte der Welt und Menschheit, die eine Vielheit von Zwecken dar 
stellen : beide Themata vereinigen sich in einer dritten Religion, welche 
i Ebendas. S. 136-147. — - Ebendas. S. 147—156. Vgl. oben Buch II. 
Cap. XXXV. S. 764. Cap. XXXIX. S. 844. — Es ist stilistisch wie sachlich 
zu tadeln, daß Hegel in der Entwicklung der griechischen Religion vorzugsweise 
die römischen Götternamen braucht. Daß er als die vornehmlichsten Gottheiten 
der eleusinischen Mysterien „Ceres, Demeter und Bacchus" bezeichnet (S. 153), 
hätte der Herausgeber nicht stehen lassen sollen. — * Hegel. XII. S. 156—188. 
Vgl. oben Buch II. Cap. XXXVI. S. 770—785.
	        
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