Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Zweiter Theil] (8,2 / 1901)

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Die Philosophie der Religion. 
Wunder, weshalb es hier Wunder im eigentlichen Sinn, d. h. im 
Unterschiede von dem gewöhnlichen Gange der Dinge gar nicht giebt. 
Diese sind erst möglich in der entgötterten Welt, weil es nur hier einen 
geregelten oder geordneten Weltlaus giebt, und die Wunder Gottes 
nichts anderes sind als Eingriffe Gottes in diesen Weltlauf. Die 
Welt entgöttern heißt den Weltlauf regeln und dadurch die Wunder 
thaten ermöglichen? 
Die Beziehungen Gottes zur Welt nennt man seine Eigenschaften. 
Daß die Welt ist und fortdauert: darin besteht seine Güte; daß er 
die Vergänglichkeit und Nichtigkeit der Dinge offenbart: darin besteht 
seine Gerechtigkeit; daß er mächtiger ist und erscheint, als jede 
Gestalt seiner Manifestation: darin besteht seine Herrlichkeit und Er 
habenheit, welche recht eigentlich die Wesenseigenthümlichkeit und den 
Charakter dieses Gottes ausmacht. Das alte Testament ist erfüllt 
von diesen Gottesanschauungen. „Gott sprach: es werde Licht und 
es ward Licht" ist eine seiner erhabensten Stellen. 
Das erhabenste seiner Geschöpfe ist der Mensch, denn Gott hat 
ihn zu seinem Ebenbilde gemacht; aber diese Gottähnlichkeit sollte 
nicht bloß die Gabe Gottes, sondern die eigenste That des Menschen 
selbst sein. Diese eigenste That geschah durch den Sündenfall, wie es 
der biblische Mythus oder die Parabel vom Sündenfalle darstellt: der 
Mensch mußte nach dem Rathe der Schlange die verbotene Frucht vom 
Baume der Erkenntniß des Guten und Bösen essen, um wissend zu 
werden, d. h. gottähnlich. Darin besteht die tiefe Wahrheit dieser 
Erzählung, welche, da sie eine ewige Wahrheit als eine zeitliche Begeben 
heit darstellt, auch Züge enthalten muß, die nicht zutreffen. Gott hat 
diese eigenwillige That, den Ungehorsam des Menschen, d. i. sein 
Heraustreten aus dem Stande der Unschuld, mit der Vertreibung aus 
dem Paradiese und seiner Verfluchung gestraft, er hat den Menschen 
verdammt zur Arbeit und zum Tode. „Im Schweiße deines Angesichts 
sollst du dein Brod essen, und du sollst wieder zur Erde werden, da 
du von ihr genommen bist, denn Staub bist du, und zum Staube sollst 
du zurückkehren." 
Indessen ist der Tod kein trostloses Schicksal, denn es giebt ein 
unsterbliches und ewiges Leben, welches die jüdische Religion nicht 
kennt, und in der Arbeit liegt nicht die Qual, sondern die Hoheit 
des Menschen? 
* Ebendas. S. 46-54, S. 58-61. — 2 Ebendas. S. 72—77.
	        
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