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Die Philosophie der Religion.
würdigen Mythus von einem Griechen getödtet und das Räthsel so
gelöst worden: der Inhalt sei der Mensch, der freie, sich wissende
Geist."
V. Die Religion der geistigen Individualität.
1. Die Grundbegriffe und Stufen dieser Religion.
Es ist noch nicht der absolute, sondern erst der endliche, noch
beschränkte Geist, der den neuen Gottesbegriff ausmacht, weshalb Hegel
diese Religion, die aus den Naturreligionen hervorgeht und sich über
dieselben erhebt, die Religion der geistigen Individualität genannt hat
und sie noch zu den „endlichen Religionen" zählt, deren letzte und
höchste Stufe sie bildet. Ihr Grundthema ist die Auffassung Gottes
in der Gestalt der von der Naturmacht losgerungenen „freien Sub
jektivität" oder des vernünftigen Geistes, dessen Wirksamkeit im
zweckmäßigen Handeln besteht und daher den Charakter der Weisheit
hat. Der Geist ist für den Geist, der göttliche für den menschlichen:
daher ist dieser der Boden, in welchem jener seine Zwecke verwirklicht.
Im Unterschiede von der Vielheit der menschlichen Individuen
hat der göttliche Geist den Charakter der Einheit, er ist nicht das
Eine, sondern der Eine; in Beziehung auf die menschlichen Individuen
muß sich durch deren Vereinigung, Zusammenfügung und Zusammen
hang der göttliche Zweck realisiren: dieser Proceß oder diese Bethätigung
der göttlichen Einheit hat den Charakter der Nothwendigkeit, endlich
hat die Art der göttlichen Wirksamkeit, wie schon gesagt, den Charakter
der Zweckmäßigkeit. Die drei metaphysischen Grundbegriffe, welche
die Religion der geistigen Individualität beherrschen, sind demnach die
Einheit, die Nothwendigkeit und die Zweckmäßigkeit?
Der göttliche Geist in seiner freien Subjectivität als der Eine
erhebt sich über die ganze sinnliche Mannichfaltigkeit der Dinge und
offenbart oder manifestirt sich in dieser seiner Erhabenheit. Der
göttliche Geist besonders und theilt sich in die Mannichfaltigkeit der
sittlichen Weltmächte, die geistiger Natur sind und darum in der
ihnen allein adäquaten Form, nämlich in der Gestalt der Mensch
lichkeit erscheinen als schöne Individualitäten, als Ideale und
1 Ebendas. S. 444—456. Vgl. Philos. der Gesch. S. oben Buch II.
Cap. XXXIV. S. 757-760. — 2 Hegel. Werke. Bd. XII. Der Uebergang.
Metaphysischer Begriff dieser Sphäre. S. 1—32. Ueber den kosmologischen und
physikotheologischen Beweis. S. 32—42.