Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Zweiter Theil] (8,2 / 1901)

Die Lehre von den Kunstformen. 
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angeschaut werden, daher kann die ihm adäquate Kunstgestalt nicht die 
der Skulptur sein, denn die Statuen sind blicklos. Der Grundton 
des Romantischen, weil die immer vergrößerte Allgemeinheit und rastlos 
arbeitende Tiefe des Gemüths das Princip ausmacht, ist musikalisch 
und mit bestimmtem Inhalt der Vorstellung lyrisch. Da aber die 
Religion der Welterlösung den Inhalt und das Grundthema des 
romantischen Ideals ausmacht, so ist die Menschheit und ihre Entwick 
lung der unermeßliche Stoff der romantischen Kunst. Es handelt sich 
nicht mehr darum, die Welt erst zu ordnen, Gesetze zu geben, Staaten 
zu gründen, Religionsgemeinschaften zu stiften u. s. f., die Hauptsache 
steht fest, die Religion der Welterlösung ist gegeben und fertig, sie 
allein herrscht. Die Aufgabe besteht darin, diesem Glauben zu dienen, 
sich und die Welt ihm zu unterwerfen, jetzt gilt nicht, wie im Alterthum, 
der Heroismus der Herrschaft, sondern „der Heroismus der Unter 
werfung". Dieser Heroismus ist das romantische Ritterthum. 
Die Gegenstände der romantischen Kunstform theilen sich in drei 
Themata: das erste sind die Glaubensobjecte oder „der religiöse Kreis 
der romantischen Kunst", das zweite die Tugenden und Zwecke des 
Ritterthums, das dritte nennt Hegel „die formelle Selbstständigkeit der 
individuellen Besonderheiten".« Die Individuen in der romantischen 
Welt sind frei, selbständig und eigenartig, so erleben sie ihrem Charakter- 
gemäß die Welt auf abenteuerliche und romanhafte Art, der Roman 
gehört zur romantischen Kunstform, der geschriebene wie der erlebte? 
Der religiöse Kreis der romantischen Kunst umfaßt diejenigen 
Gegenstände, welche unmittelbar das Werk der Erlösung selbst betreffen, 
dieses besteht in der Liebe Gottes im subjektiven wie im objectiven 
Sinne des Worts, daher sich das Christenthum als die Religion der 
Liebe oder als „die religiöse Liebe" kennzeichnet. In der Mitte 
des Erlösungswerks steht in erster Linie die Person Christi selbst, in 
zweiter die heilige Familie und die Jünger, in dritter die vom Glauben 
an Christum erfüllte Gemeinde. 
Der erste und wichtigste aller Gegenstände der romantischen Kunst 
ist „die Erlösungsgeschichte Christi", sein Leben, Leiden und 
Sterben, vor allem die Passionsgeschichte, das Leiden und Sterben 
am Kreuz, die Auferstehung, Himmelfahrt und Verherrlichung: diese 
Geschichte des menschgewordenen Gottes, welche den „Grundgegenstand"
	        
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