Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Zweiter Theil] (8,2 / 1901)

850 Die Aesthetik oder die Philosophie der schönen Kunst. 
erhebt, daß er sein Ziel, seine wahre Befriedigung oder seine Objectivität 
nicht außer sich, auch nicht in der eigenen Aeußerlichkeit, sondern nur 
in sich, in dem eigenen Innern sucht und findet. Diese absolute Frei 
heit und Versöhnung des Geistes mit sich will auch dargestellt sein, 
die ihr adäquate Form der Gestaltung ist die romantische Kunst 
form und sie selbst das Grundprincip der romantischen Kunst. Die 
Art der Schönheit, welche innerhalb dieser Kunstform allein zur An 
schauung und Geltung gebracht sein will, ist nicht die äußere, die nun 
mehr von untergeordneter Bedeutung ist, sondern die innere oder 
geistige Schönheit. 
Das Jnsichversöhntsein des Geistes bedeutet, daß der unendliche 
oder absolute und endliche, der göttliche und menschliche Geist eines 
geworden sind, daß ihre Entzweiung, der Zwiespalt zwischen Gott und 
Welt aufgehoben ist: dies aber bedeutet die Erlösung der Welt 
und der Menschheit, die innere Einheit Gottes und der Welt. „In 
diesem Pantheon sind alle Götter entthront, die Flamme der Sub- 
jectivität hat sie zerstört, und statt der plastischen Vielgötterei kennt 
-die Kunst jetzt nur einen Gott, einen Geist, eine absolute Selbst 
ständigkeit. Das sich mit Gott versöhnt wissen ist der religiöse Frieden, 
das sich mit Gott eines wissen ist die religiöse Liebe: daher ist das 
Grundthema der roniantischen Kunstform wesentlich religiös, es ist die 
Religion selbst, die christliche. Dieses religiöse Selbstbewußtsein erhebt 
das Subject und muß ihm das eigene Leben als unendlich bedeutungs- 
und werthvoll erscheinen lassen; erst dadurch verfinstert sich der Tod 
als die Vernichtung dieses Lebens zu dem furchtbarsten aller Uebel, 
welches zu überwinden, von welchem erlöst zu sein in der Gewißheit 
eines ewigen Lebens ein wesentliches Moment des christlichen Glaubens 
ausmacht. Im Alterthum war der Tod die trostlose Fortdauer im 
Reiche der Schatten, wie denn Achilleus in der Unterwelt dem Odysseus 
versichert, daß er im Lichte des Tages lieber ein armer Ackerknecht 
sein wolle, als ein Herrscher im Reiche der Schatten. 
Die Existenz des romantischen Ideals besteht demnach in der 
tiefen Innerlichkeit der Empfindung und des Bewußtseins, d. h. in 
der Innigkeit des Gemüths, dem eine äußere Welt gegenübersteht, 
zu der es sich verhält. „Wir haben somit im Roniantischen zwei 
Welten, ein geistiges Reich, das in sich vollendet ist, das Gemüth — 
auf der andern Seite das Reich des Aeußerlichen als solchen." Das 
romantische Ideal ist seelenvoll, es will Seele in Seele, Auge in Auge
	        
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