Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Zweiter Theil] (8,2 / 1901)

814 Die Aesthetik oder die Philosophie der schönen Kunst. 
der genialen göttlichen Ironie als dieser Concentration des Ich in sich, 
für welches alle Bande gebrochen sind, und das nur in der Seligkeit 
des Selbstgenusses leben mag. Diese Ironie hat Herr Fr. v. Schlegel 
erfunden, und viele andere haben sie nachgeschwatzt oder schwatzen sie 
von neuem wieder nach.'^ 
Auch Solger und Ludwig Tieck haben die Ironie als höchstes 
Princip der Kunst aufgenommen, aber Tieck, dessen Bildung aus jener 
Periode herstammt, deren Mittelpunkt eine Zeitlang Jena war, hat 
die Ironie mehr als Phrase gebraucht und im Aushängeschilde geführt, 
als in seiner Betrachtung und Beurtheilung concreter Kunstwerke ver 
werthet. Wenn er von Romeo und Julia redet, kommt von der Ironie 
nichts mehr vor. Solger dagegen hat das Princip der Ironie tiefer 
gefaßt und als Kunstprincip philosophisch zu begründen gesucht. Daß 
die Idee in die Erscheinung eingeht und der Welt sich als Schönheit 
offenbart, ist nothwendig und in ihrem Wesen begründet, aber diese 
ihre Erscheinnngsart hat nicht den Ernst des gewöhnlichen Lebens und 
der gemeinen Realität der Dinge, sondern ist ein Schein, der sich selbst 
wieder aufhebt und zerstört, und in dieser Ironie besteht das Wesen 
der Schönheit und Kunst. In dieser Fassung konnte Hegel seinen 
Standpunkt mit dem solgerschen vergleichen und den Punkt der Ver 
wandtschaft hervorheben. „Solger war nicht wie die übrigen mit 
oberflächlicher philosophischer Bildung zufrieden, sondern sein ächt 
specnlatives innerstes Bedürfniß drängte ihn, in die Tiefe der philo 
sophischen Idee hinabzusteigen. Hier kam er auf das dialektische 
Moment der Idee, auf den Punkt, den ich «unendliche absolute Nega 
tivität» nenne, auf die Thätigkeit der Idee, sich als das Unendliche 
und Allgemeine zu negiren, zur Endlichkeit und Besonderheit, und 
diese Negation ebenso sehr wieder aufzuheben und somit das Allge 
meine und Unendliche im Endlichen und Besondern wiederherzu 
stellen." „In Rücksicht auf Leben, Philosophie und Kunst verdient 
Solger von den bisher bezeichneten Aposteln der Ironie unterschieden 
zu werden. 
1 Hegel. X. Abth. I. S. 74-87. Vgl. damit Rechtsphilosophie. Bd. VIII. 
§ 170. S. 183—206. (S. 196 flgd.. Anmerkg.). S. oben S. 706-710. Ueber 
die kantische Aesthetik vgl. dieses Werk (Jub.-Ausg.). Bd. V. (4. Stuft.). Buch II 
S. 405—485 slgd. Ueber Schillers Verhältniß zu Kant und seine philosophische 
Bedeutung vgl. meine Schiller-Schriften: Schiller als Philosoph. (2. Ausl.). Buch II. 
Cap. VII. S. 100—169. — - Hegel. X. Abth. I. S. 89 u. 90.
	        
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