Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Zweiter Theil] (8,2 / 1901)

Die römische Welt. 
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Hier erkennen wir sogleich den Gegensatz, der dem römischen 
Wesen inwohnt: die abstracte Persönlichkeit, die ihr Haupt hochträgt, 
und deren Unterwerfung unter den abstracten Staat und Staatszweck, 
der sein Haupt noch höher trägt, den Blick auf den ordi8 terrarum 
gerichtet. Die geltenden Persönlichkeiten stehen in starrem Gegensatze 
zum Volk als der formlosen Masse der Individuen: daher kann hier 
die Grundbestimmung des politischen Lebens nur die Aristokratie 
sein, wie in Griechenland die Demokratie und im Orient der Des 
potismus. „In Rom sind es Principien, die das Ganze getheilt 
halten, sie stehen einander gegenüber und kämpfen mit einander: erst 
die Aristokratie mit den Königen, dann die Plebs mit der Aristokratie, 
bis die Demokratie die Oberhand gewinnt. Da erst entstehen Factionen, 
aus welchen jene spätere Aristokratie großer Individuen hervorging, 
welche die Welt bezwungen haben. Dieser Dualismus ist es, der eigent 
lich Roms innerstes Wesen bedeutet. " 1 
Der Unterschied zwischen dem Charakter des griechischen und dem 
des römischen Volks erhellt auf eine sehr einleuchtende Art aus der 
Vergleichung ihrer Rechtsanschauungen, insbesondere des Familien 
rechts, ihrer Religionen und ihrer Spiele. 
In dem Verhalten des Römers zu seiner Familie herrscht die 
Gewaltsamkeit, ebenso in seinem Verhalten zum Staat: diese beiden 
Richtungen seines Verhaltens sind einander in der schroffsten Weise 
entgegengesetzt. Gegenüber seiner Familie ist der Römer Herr und 
Despot, gegenüber dem Staat ist er Knecht unter dem Zwange der 
Subordination. Die Frau steht in der ehelichen, die Kinder in der 
väterlichen Gewalt des Mannes, sie werden als Sachen angesehen und 
dürfen wie Sclaven verkauft werden, von welcher abscheulichen Rechts 
unsittlichkeit schon oben in der Rechtsphilosophie die Rede gewesen? Die 
Sage leitet den Ursprung Roms von einem feindlichen Brüderpaare 
her, welches eine Wölfin gesäugt habe. Das römische Volk war 
ursprünglich ohne Weiber. Der Anfang ihres ehelichen Lebens zur 
Gründung der Familie war, wie die Geschichtserzählung berichtet, der 
Raub der Sabinerinnen. 
Der Inhalt der römischen Religion ist die von den Griechen ent 
lehnte Mythologie nach Abzug der Schönheit, Poesie und Kunst, welche 
die griechische Religion zu dem gemacht haben, was sie ist. Die römische 
* Ebendas. S. 340 u. 341. - 2 Vgl. dieses Werk. Buch II. Cap. XXXII. 
S. 715.
	        
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