Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Zweiter Theil] (8,2 / 1901)

Die griechische Welt. 
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seiner Bürger, als sittliche Gesinnung, als die Tugend, von der 
Montesquieu treffend gesagt hat, daß sie die Grundlage der Demo 
kratie sei. Die Göttin Athene ist Athen selbst, d. h. der wirkliche und 
concrete Geist der Bürger. „Von den Griechen in der ersten und 
wahrhaften Gestalt der Freiheit können wir behaupten, daß sie kein 
Gewissen hatten: bei ihnen herrschte die Gewohnheit, sür das Vaterland 
zu leben, ohne weitere Reflexion. Die Abstraction eines Staates, die 
für unseren Verstand das Wesentliche ist, kannten sie nicht, sondern 
ihnen war der Zweck das lebendige Vaterland: dieses Athen, dieses 
Sparta, diese Tempel, diese Altäre, diese Weise des Zusammenlebens, 
dieser Kreis von Mitbürgern, diese Sitten und Gewohnheiten. Dem 
Griechen war das Vaterland eine Nothwendigkeit, ohne die er nicht 
leben konnte." Als aber die Zeit der Sophistik gekommen war, und 
mit ihr das Reflectiren, das politische Geschwätz und Besserwissen die 
Herrschaft gewann, da war es aus mit der schönen Demokratie. Von 
diesem Verfall spricht Thukydides, wenn er sagt, daß jeder meine, es 
gehe schlecht zu, wenn er nicht dabei sei. 
Drei in den Zuständen der griechischen Welt gelegene Bedingungen 
waren vereinigt, um die schöne Demokratie zu ermöglichen: daß in 
öffentlichen Fragen und Zweifeln nicht die Reflexion und die Meinung, 
sondern die Orakel entschieden; daß die Bürger sich mit dem Staat 
in voller Muße beschäftigen konnten, ungehemmt und ungetheilt von 
seiten der materiellen Arbeit, welche die Sklaven besorgten; endlich, 
daß die Staaten klein waren. Der Staat war die Stadt (rcöXic), die 
erweiterte Individualität, und der politische Horizont der Bürger reichte 
nicht hinaus über den gewohnten. 
II. Der historische Gang der griechischen Welt. 
In dem Gange eines welthistorischen Volkes ist die Periode der 
Berührung mit dem vorausgegangenen welthistorischen Volke immer 
als die zweite, die der Höhe, und die Periode der Berührung mit dem 
welthistorischen Volke, welches nachfolgt, immer als die letzte, die des 
Untergangs, zu betrachten. Das welthistorische Volk, welches den Griechen 
vorausging, waren die Perser, das, welches ihnen gefolgt ist, sind 
die Römer. Darum hat Hegel in der Geschichte Griechenlands folgende 
Abschnitte unterschieden: „die Kriege mit den Persern", „der pelo- 
Ponnesische Krieg", „das macedonische Reich", „der Untergang des 
griechischen Geistes"; er hat zwischen den beiden ersten Abschnitten den
	        
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