Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Zweiter Theil] (8,2 / 1901)

Die orientalische Welt. 
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Symbols der Sonne und des Nils. Er beherrscht das Reich der 
Lebendigen und der Todten. Ihm gehört die Erfindung des Acker 
baus und aller dazu gehörigen Künste und Gesittung, auch der Wissen 
schaften, worin sich Thoth, der ägyptische Hermes, zu ihm gesellt. Er 
hat und übt das Amt des Todtenrichters, womit die den Aegyptern 
eigenthümliche Vorstellung von der Unsterblichkeit der Seele und ihren 
künftigen Dergeltungs- und Wanderungszuständen (Metempshchose) 
genau zusammenhängt, wie auch die Sitte der Einbalsamirung und 
der Bestattungsart der Todten. 1 
Nach Hegel ist das eigentliche, ihm selbst räthselhafte, in der 
Sphinx verkörperte Thema des ägyptischen Geistes der Mensch, d. i. 
der sich erkennende Geist, der aus der Natur, insbesondere aus der 
thierischen hervorgeht und in der griechischen Welt zur vollen Geltung 
und Darstellung gelange. Eben darin bestehe der Uebergang vom 
ägyptischen zum griechischen Geist. „Daß aber vor dem Bewußtsein 
der Aegypter ihr Geist selbst in Form einer Aufgabe genesen ist, 
darüber können wir uns auf die berühmte Inschrift des Allerheiligsten 
der Göttin Neith in Sais berufen: „Ich bin, was da ist, was 
war und sein wird: niemand hat meine Hülle gelüftet". 
Proklos hat noch den Zusatz angegeben: „die Frucht, die ich gebar, 
ist Helios". „In der ägyptischen Neith ist die Wahrheit noch ver 
schlossen: der griechische Apollon ist die Lösung; sein Ausspruch ist: 
Mensch, erkenne dich selbst. Es ist nicht der particulare Mensch, 
1 Ebendas. 6.253—267. August Gladisch hat in einer Reihe von Schriften 
nachzuweisen gesucht, daß die ägyptischen Obelisken und Pyramidien, wie die Pyra 
miden selbst, deren es nur vierseitige gab, keinen andern Zweck gehabt, als 
das Thema der ägyptischen Religion, den Mythus vom Osiris, darzustellen, und 
daß darin ihr Mysterium bestanden habe. Nach der pantheistischen Grundanschauung 
der ägyptischen Religion enthalte die Urgottheit die Urbestandtheile der Welt, näm 
lich die vier Elemente (wie auch der griechische Philosoph Empedokles gelehrt habe) in 
sich, so daß die Welt durch die Zerreißung oder den Tod der Gottheit entstehe, und 
der Tod der Gottheit die Geburt der Welt sei, was in den Pyramiden angeschaut 
werde. Im Scheitelpunkte seien die vier Seiten (Elemente) vereinigt. Von oben 
nach unten betrachtet, erscheine die Pyramide als das Auseinandergehen der Ein 
heit in die vier Elemente (Tod des Osiris), von unten nach oben betrachtet, er 
scheine sie als deren Vereinigung und Sammlung (Geburt und Wiedergeburt des 
Osiris). „Das Mysterium der ägyptischen Pyramiden und Obelisken" (Halle 1846). 
„Die Religion und die Philosophie in ihrer weltgeschichtlichen Entwicklung und 
Stellung zu einander" (Berlin 1852). S. 48—60. „Empedokles und die Aegypter" 
(Leipzig 1858).
	        
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