Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Zweiter Theil] (8,2 / 1901)

Die Sittlichkeit. 
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so auch der Staaten. Wie die Individuen sich nothwendig auf ein 
ander beziehen und gegen einander verhalten müssen, entweder friedlich 
oder feindlich, so auch die Staaten. Sobald ein Staat in die Lage 
kommt, seine Unabhängigkeit zu vertheidigen, muß er Krieg führen. 
Aus Vertheidigungskriegen können Eroberungskriege werden. Im Kriege 
handelt es sich um Sein und Nichtsein des Staates. Hier zeigt sich 
der charakteristische Unterschied zwischen dem Staat und der bürgerlichen 
Gesellschaft: diese hat die Pflicht, Leben und Eigenthum ihrer Mit 
glieder zu schützen und zu sichern, der Staat dagegen muß fordern, 
daß im Kriege die Bürger ihm und für ihn Leben und Eigenthum auf 
opfern. Kriege sind furchtbar, aber sie sind nothwendig, auch sittlich 
nothwendig, denn sie schützen den Staat vor innerer Verknöcherung und 
Versumpfung, wie Hegel schon in einer seiner frühesten Schriften, den 
„wissenschaftlichen Behandlungsarten des Naturrechts", erklärt hatte. 
Er führt seine Worte an, ohne die Schrift zu nennen. 1 Es ist gut. 
daß die Endlichkeit und Vergänglichkeit der Güter dieser Welt nicht 
bloß gesagt, sondern erlebt und erfahren wird; daß man am eigenen 
Leibe erfährt, wie es niedere und höhere Dinge giebt und jene diesen 
aufzuopfern sind. Dies geschieht im Kriege, nur in ihm. „Man hört 
so viel auf den Kanzeln von der Unsicherheit, Eitelkeit und Unstetigkeit 
zeitlicher Dinge sprechen, aber jeder denkt dabei, so gerührt er auch 
ist, ich werde doch das Meinige behalten. Kommt nun aber diese 
Unsicherheit in Form von Husaren mit blanken Säbeln wirklich zur 
Sprache und ist es Ernst damit, dann wendet sich jene gerührte Erbau 
lichkeit, die alles vorhersagte, dazu, Flüche über die Eroberer auszu 
sprechen." Treffend gesagt und erlebt! Viele Jahre vorher hatte 
Hegel die Bekanntschaft der „blanken Säbel" gemacht und sein Bißchen 
Habe durch Plünderung völlig verloren, aber er hatte dem Eroberer 
nicht geflucht, sondern einem Freunde geschrieben: „Ich habe die Welt 
seele reiten sehen". 
Daß Kriege Heilmittel sein können, zeigt sich auch darin, daß sie 
zur Ablenkung innerer Gefahren gesucht werden und daß glückliche 
Kriege innere Unruhen verhindert und die innere Staatsmacht befestigt 
haben. Das größte Beispiel einer politischen Regeneration nach einem 
unglücklichen Kriege, welches Hegel nicht genannt hat, ist Preußen in 
dm Jahren 1807—1815." * 
1 Ebendas. §§ 321—824. S. 408—418. (S. 411.) Vgl. oben Buch II. 
Cap. IV. S. 280. — 2 Hegel. VIII. § 324. S. 411. 
Fischer, Gesch. d. Philos. VIII. N. A. 
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